Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio (Charpentier, 1825))

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körperlänge: 26–31 mm, Hinterflügellänge: 14–18 mm.

Kopf: Männchen und ausgefärbte Weibchen mit rundlichen, blauen (bei Weibchen auch grünen) Flecken zwischen den Augen auf schwarzem Grund, junge Weibchen hier orange. Augen oberseits schwarz-braun, bei jungen Weibchen unten orange, ansonsten blaugrün bis grün.

Thorax: Grundfarbe bei ausgefärbten Männchen blau, bei jungen Männchen gelblich bis grünlich, bei ausgefärbten Weibchen grün oder blau, junge Weibchen orange. Männchen und Weibchen mit schwarzen Humeralstreifen (seitlicher Streifen), bei Männchen breiter als bei Weibchen, jungen Weibchen fehlt dieser Streifen. Pronotum (vorderer verschmälerter Brustabschnitt) mit gebogenem Hinterrand ohne zipfelförmigen Fortsatz, bei Männchen Pronotum fast komplett schwarz, bei Weibchen mit mittiger schwarzer Zeichnung. Flügelmal schwarz-weiß, im Vorderflügel größer als im Hinterflügel. 

Hinterleib: Männchen oberseits schwarz, 9. und normalerweise letztes Drittel (Ausdehnung kann variieren) des 8. Segments blau gefärbt (‘Schlusslicht’). Junge Weibchen basal orange, später grün oder blau (selten schwarz), ansonsten oberseits schwarz.

Ähnliche Arten: Bei der Großen Pechlibelle (Ischnura elegans) ist das Pronotum bei beiden Geschlechtern bis auf die Vorder- und Seitenränder vollständig schwarz und trägt mittig am Hinterrand einen Zipfel; das zweifarbige Flügelmal ist in Vorder- und Hinterflügeln gleich groß, beide Geschlechter mit oberseits schwarzem Hinterleib und farbigem 8. Hinterleibssegment. Zwerglibelle (Nehalennia speciosa) und Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus) ebenfalls mit zweifarbigem Flügelmal.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Merkmale

Verbreitung

Von Irland, England, Dänemark, Südschweden und Südfinnland südlich bis zur Iberischen Halbinsel, Sardinien, Sizilien und Kreta sowie auf den Azoren und Madeira. Im Mittelmeerraum auch in Nordafrika, Israel und Jordanien. Östlich über die Ukraine und Russland bis Mittelasien und China (Wildermuth & Martens 2019).

Lebensweise

Die Adulten fliegen von Ende April bis September. Ihre Reifezeit nach dem Schlupf beträgt in Abhängigkeit von der Nahrungsverfügbarkeit 6 bis 12 Tage. Die Männchen bilden Reviere, die gegen artgleiche Nachbarn verteidigt werden, wobei sie ruckartig aufeinander zu fliegen und sich in der Luft rüttelnd gegenüberstehen. Ausgefärbte Weibchen werden heftig attackiert. Die Paarung findet nachmittags statt und kann 20 Minuten bis über sechs Stunden dauern. An der Eiablage nimmt das Männchen keinen Anteil. Das Weibchen sticht die Eier unter Wasser in Pflanzenteile und kann dabei auch vollständig untertauchen (Wildermuth & Martens 2019).

Die Eientwicklung dauert je nach Temperatur etwa 17 Tage. Die Larve schlüpft nur, wenn sich das Ei im Wasser befindet. Anderenfalls verzögert sich der Schlupf und findet 2 Tage nach Überflutung statt. Die Larven leben am Gewässerboden, bei vorhandener Vegetation auch in dieser, verhalten sich untereinander aggressiv und ernähren sich u.a. von Wasserflöhen sowie den Larven von Mücken und Ruderwanzen (Wildermuth & Martens 2019).

In wärmebegünstigten Habitaten gibt es mitunter zwei Generationen pro Jahr. Die Sommergeneration kann sich innerhalb von 55 Tagen entwickeln. Die Larven der Wintergeneration überwintern (Inden-Lohmar 1997; Burbach 2000; Brockhaus & Fischer 2005; Martens et al. 2017).

Lebensräume

Eine Pionierart warmer, besonnter und temporärer Gewässer, die arm an Räubern und Konkurrenten sind. Typisch ist eine Besiedlung neu angelegter Naturschutzgewässer und Regenrückhaltebecken, kleiner Tümpel, Lehm- und Kiesgruben sowie wassergefüllter Fahrspuren. Weitere Habitate sind nach Hochwässern gefüllte Senken auf Wiesen und in den Randbereichen von Auen (Wildermuth & Martens 2019). Bei langsamem Sukzessionsverlauf kann ein Habitat bis zu acht Jahre besiedelt werden (Brockhaus & Fischer 2005).

Bestandssituation

Aufgrund der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit der Habitate ist das Vorkommen dieser Art lokal unbeständig. Die Tiere sind jedoch offenbar in der Lage neu entstehende Habitate auch über größere Distanzen schnell zu besiedeln und finden solche nach wie vor ausreichend in der Kulturlandschaft (Wildermuth & Martens 2019).
In Sachsen besitzt die Art zahlreiche zerstreute Vorkommen, aber fehlt im Gebirge oberhalb 500 m, im Zittauer Gebirge und im Mittelsächsischen Lößhügelland (Brockhaus & Fischer 2005). In den letzten Jahren wurde die Art jedoch auch bei Altenberg auf 627 Meter Höhe in einer offenbar temperaturbegünstigten Senke nachgewiesen (Teumer 2017, 2021 auf Insekten Sachsen).

Literatur

  • Bellmann, H. 1993: Libellen: beobachten – bestimmen. – Naturbuch Verlag, Augsburg. 274 S.
  • Brockhaus, T. & U. Fischer 2005: Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf. 427 S.
  • Burbach, K. 2000: Nachweis einer zweiten Jahresgeneration von Enallagma cyathigerum und Ischnura pumilio in Mitteleuropa (Odonata: Coenagrionidae). – Libellula 19 (3/4): 217–227.
  • Dijkstra, K.-D. B., A. Schröter & R. Lewington 2021 (2. Aufl.): Libellen Europas. Der Bestimmungsführer. – Haupt-Verlag, Bern. 336 S.
  • Dreyer, W. 1986: Die Libellen Das umfassende Handbuch zur Biologie und Ökologie aller mitteleuropäischer Arten mit Bestimmungsschlüsseln für Imagines und Larven. – Gerstenberg Verlag, Hildesheim. 219 S.
  • Heidemann, H. & R. Seidenbusch 2002: Die Libellenlarven Deutschlands. – In: F. Dahl, Die Tierwelt Deutschlands (72. Teil). – Goecke & Evers, Keltern. 328 S.
  • Inden-Lohmar, C. 1997: Nachweis einer zweiten Jahresgeneration von Ischnura elegans (Vander Linden) und I. pumilio (Charpentier) in Mitteleuropa (Zygoptera: Coenagrionidae). – Libellula 16 (1/2): 1–15.
  • Krieger, F. & E. Krieger-Loibl 1958: Beiträge zum Verhalten von Ischnura elegans und Ischnura pumilio (Odonata). – Zeitschrift für Tierpsychologie 15: 82–93.
  • Langenbach, A. 1993: Time of colour change in female Ischnura pumilio (Charpentier) (Zygoptera: Coenagrionidae). – Odonatologica 22 (4): 469–477.
  • Martens, A., J. Dunst, A. Fröhlich & K. Grabow 2017: Just 55 days: Rapid development of Ischnura elegans and I. pumilio in a flooded maize field in Central Europe (Odonata: Coenagrionidae). – Notulae odonatologicae 8 (10): 379–392.
  • Ott, J. 2008: Die Kleine Pechlibelle – Ischnura pumilio (Charpentier, 1925) (Odonata: Coenagrionidae) in der Pfalz: ein Profiteur von Regenrückhaltebecken, Naturschutzgewässern und der Klimaänderung. – Mainzer naturwissenschaftliches Archiv 46: 233–261.
  • Rudolph, R. 1979: Bemerkungen zur Ökologie von Ischnura pumilio (Charpentier) (Zygoptera: Coenagrionidae). – Odonatologica 8 (1): 55–61.
  • Sternberg, K. & R. Buchwald 1999: Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1 Allgemeiner Teil, Kleinlibellen (Zygoptera). – Eugen Ulmer, Stuttgart. 468 S.
  • Wildermuth, H. & A. Martens 2019 (2. Aufl.): Die Libellen Europas: Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. – Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim. 958 S.

Links

Autor(-en): Susanne Kurze, Matthias Nuß. Letzte Änderung am 01.01.2023

Männchen der Kleinen Pechlibelle. Beachte die rundlichen, blauen Postokularflecke, den schwarzen Humeralstreifen an der Seite des Thorax und am Hinterleibsende den hellen Fleck auf Segment 9 und am Ende von Segment 8. Brauna, Anfang August 2019.
(© Peter Diehl)


Männchen der Kleinen Pechlibelle. Beachte die Färbung der Flügelmale. Niederau, Ende Juni 2020
(© Peter Diehl)


Junges Männchen der Kleinen Pechlibelle. Brauna, Anfang August 2019
(© Peter Diehl)


Weibchen der Kleinen Pechlibelle (homoeochrome Farbvariante). Beachte das Fehlen sowohl eines schwarzen Humeralstreifens an der Seite des Thorax als auch eines hellen Flecks am Hinterleibsende. Wiesenteich in Schönteichen, Ende Juli 2018
(© Peter Diehl)


Frisch geschlüpftes Weibchen der Kleinen Pechlibelle. Kamenz, Anfang Mai 2020
(© Peter Diehl)


Junges Weibchen. Wiesenteich in Schönteichen, 2018
(© Peter Diehl)


Weibchen (homoeochrome Altersform), Kamenz, Ende Juni 2020
(© Peter Diehl)


Weibchen der Kleinen Pechlibelle am Wiesenteich in Schönteichen, Anfang Juli 2018
(© Peter Diehl)


Paarung der Kleinen Pechlibelle bei Altenberg, Anfang Juni 2017
(© Jörg Teumer)
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