Gemeine Kleinpunkt-Skorpionsfliege (Panorpa communis Linnaeus, 1758)

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Diagnose

Kopf: Kopfschild (Clypeus) verlängert (Name: Schnabelfliegen!), Kopf oben zwischen den Augen schwarz.

Thorax: Alle Flügel mit schwarzbraunen Flecken; im Vorderflügel bilden die Flecken nur eine durchgehende Binde, die manchmal auch unterbrochen sein kann; an der Flügelbasis gibt es einen kleinen Fleck, dessen Ausdehnung sich auf eine Zelle beschränkt. Zuweilen fehlt dieser Fleck.

Abdomen: Beim Männchen die letzten zwei Hinterleibssegmente deutlich dünner; Genitalanhänge vergrößert und nach oben getragen (Name: Skorpionsfliegen!). - Weibchen mit spitz auslaufendem Hinterleibsende.

Ähnliche Arten: Panorpa germanica; Panorpa vulgaris.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Merkmale

Verbreitung

Von Irland, Großbritannien und Skandinavien südlich bis Portugal, Spanien, Italien und Griechenland, östlich bis zum Ob in Sibirien (GBIF).

Lebensweise

Es entwickelt sich überwiegend nur eine Generation im Jahr. Ein Teil der Nachkommen der ersten Jahresgeneration bringt eine zweite Generation im gleichen Jahr hervor, deren Adulte Ende Juli und im August erscheinen. Dann können Adulte der ersten und zweiten Generation gleichzeitig in einem Lebensraum auftreten (Sauer & Hensle 1977; Sauer et al. 2003).

Die Entwicklung der Embryonen in den Eiern dauert bei einer Temperatur von 20–21°C sechs Tage. Nach dem Schlupf fressen die Larven zunächst das Chorion ihrer Eischalen (Sauer 1970; Sauer & Hensle 1977).

Die Larven leben auf dem Boden oder im Oberboden in selbst gegrabenen Gängen. Sie fressen geschwächte oder tote Insekten, auch Individuen der eigenen Art. Dabei handelt es sich um Laborbeobachtungen; Beobachtungen aus dem Freiland liegen dazu nicht vor. Es entwickeln sich vier Larvenstadien. Bei 20°C dauert das L1-Stadium vier Tage, das L2-Stadium drei Tage und das L3-Stadium vier Tage. Das vierte Larvenstadium stellt nach 8–10 Tagen die Nahrungsaufnahme ein und baut eine Puppenwiege. Erfolgt die weitere Entwicklung ohne Diapause, folgt unmittelbar die Verpuppung und die Adulten schlüpfen drei bis vier Wochen, nachdem die Larven damit begannen, die Puppenwiege zu bauen. Mit Diapause erfolgt die Überwinterung. Das Diapausestadium dauert etwa sechs Monate. Danach folgt ein Präpuppenstadium und schließlich die Metamorphose zur Puppe. Ob die Entwicklung mit oder ohne Diapause erfolgt wird durch die Tageslänge während der Larvenentwicklung induziert. Unter Langtagbedingungen (≥ 16 h 50 min) ist eine Entwicklung ohne Diapause möglich, wobei sich bei einer Tageslänge von ≥ 17 h 40 min 36–60% der Individuen ohne Diapause entwickeln und eine weitere Verlängerung des Tages keinen weiteren Anstieg der diapausefreien Individuen erzeugt. Unter Kurztagbedingungen (≤ 16 h 40 min) erfolgt die weitere Entwicklung in jedem Fall mit Diapause (Sauer 1970; Sauer & Hensle 1977).

6–17 Tage nach dem Schlupf beginnen die Adulten mit der Paarung. Vor der Kopulation vollführen die Männchen einen komplexen Balztanz, der aus vier Motiven besteht, die eine zunehmende Intensität aufweisen. Beim "Zittern" wird der Hinterleib mit den nach oben gestellten Genitalanhängen angehoben und zitternd nach unten geschlagen. Die in Ruhestellung befindlichen Flügel vibrieren dabei ebenso wie der Hinterleib. Beim "Wippen" ist es ähnlich, nur werden Vorder- und Hinterflügel zusätzlich leicht angehoben und gespreizt und vibrierend nach unten geklappt. Beim "Winken" werden alle Flügel angehoben, weit gespreizt und mit ihren Flügelflächen nach vorn zur Schau gestellt. Gleichzeitig wird wie beim Zittern und Wippen das Abdomen angehoben und anschließend Flügel und Abdomen ruckartig und zitternd nach unten bewegt. Beim "Schlagen" werden die Flügel auf dem Hinterleib liegend zusammen mit diesem angehoben und begleitet von Hinterleibsvibrationen gemeinsam schnell nach unten geschlagen.
Werben mehrere Männchen um ein Weibchen spreizen sie ihre terminalen Genitalanhänge und schlagen mit diesen aufeinander ein. Dieses Verhalten zeigen Männchen zuweilen auch gegenüber bereits kopulierenden Männchen.
Die Weibchen bekunden ihrerseits ihr Interesse mit Winken und Wippen, wenden sich aktiv dem Männchen zu, strecken ihm den Hinterleib entgegen und bewegen den Ovipositor. Sie zeigen ihre Bereitschaft auch, ohne dass zuvor ein Männchen den Balztanz vollführte.
Bei der Kopulation stehen die beiden Partner seitlich zueinander. Das Männchen fährt zunächst mit seinen Genitalanhängen bauchseitig am Hinterleib des Weibchens entlang, bevor es zur Vereinigung der beiden kommt.
Während der Kopulation übergibt das Männchen dem Weibchen mit seinen Mundwerkzeugen ein eiweißreiches, kugelförmiges Hochzeitsgeschenk, das vom Weibchen verzehrt wird. Im weiteren Verlauf der Kopulation können mehrmals solche Eiweißkugeln übergeben werden. Geht das Weibchen während der Paarung jedoch der gewöhnlichen Nahrungsaufnahme nach, verzichtet das Männchen auf die Übergabe des Hochzeitsgeschenks. Die Kopulation kann nur einige Minuten oder auch mehrere Stunden dauern und beide Partner können unmittelbar danach erneut mit anderen Partnern kopulieren (Sauer 1970; Sauer & Hensle 1977).

Die Adulten ernähren sich überwiegend von toten Insekten. Sie sind in der Lage, auf Spinnennetzen zu sitzen und die Beute der Spinnen zu fressen. Auch wird berichtet, dass die Tiere zuweilen lebende Insekten erbeuten, die größer sind als sie selbst.

Drei bis neun, durchschnittlich sechs Tage nach der ersten Kopulation beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Im Durchschnitt legt ein Weibchen 350 Eier (Minimum 11, Maximum 572) in sechs Gelegen ab (Minimum 2, Maximum 10), wobei durchschnittlich 59 Eier in einem Gelege abgelegt werden (Minimum 8, Maximum 128). Die Eiablage erfolgt am Boden in eine Erdspalte. Hier müssen die Eier Kontaktfeuchte haben, wenn sich die Embryonen ohne nennenswerte Absterberaten entwickeln sollen (Sauer & Hensle 1977).

Lebensräume

Krautschicht kühl-feuchter Wälder und beschatteter Säume (Sauer & Hensle 1975). Die Individuen halten sich an sonnigen Tagen fast ausschließlich an schattigen Stellen auf (Sauer & Hensle 1977).

Bestandssituation

In Sachsen nicht gefährdet.

Literatur

Bei den älteren nachfolgend zitierten Arbeiten können sich Angaben zu Panorpa communis auch auf P. vulgaris beziehen, da diese beiden Arten erst seit Sauer & Hensle (1975) konsequent unterschieden werden.

  • Bierbrodt, E. 1942. Der Larvenkopf von Panorpa communis L. und seine Verwandlung mit besonderer Beriicksichtigung des Gehirns und der Augen. – Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontologie der Tiere 68: 49–136.
  • Grell, K. G. 1938: Der Darmtraktus von Panorpa communis L. und seine Anhänge bei Larve und Imago. – Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontologie der Tiere 64: 1–86.
  • Grell, K. G. 1942: Der Genitalapparat von Panorpa communis. – Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontologie der Tiere 67: 513–588.
  • Hasken, W. 1939: Der Thorax von Panorpa communis L. – Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontologie der Tiere 65: 295–338.
  • Heddergott, H. 1938. Kopf und Vorderdarm von Panorpa communis L. - Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontogenie der Tiere 65: 229–294.
  • Kovalev, B. G. & L. A. Nikolayeva 1989: Attractivity of Polyene Methylene divided Hydrocarbons for Panorpa communis (Mecoptera). – Zoologichesky Zhurnal 68 (4): 149–150.
  • Leonovich, S. A. & V. P. Ivanov 1978: Ultrastructure of Johnston's organ in Panorpa communis (Mecoptera: Panorpidae). – Zoologichesky Zhurnal 57: 214–221 [auf Russisch]
  • Potter, E. 1938. The internal anatomy of the order Mecoptera. – Transactions of the Royal Entomological Society London 87: 467–501.
  • Rottmar, B. 1966: Uber Züchtung, Diapause und postembryonale Entwicklung von Panorpa communis L. – Zoologisches Jahrbuch für Anatomie und Ontologie der Tiere 83: 497–570.
  • Sauer, K. P. 1970: Zur Monotopbindung einheimischer Arten der Gattung Panorpa nach Untersuchungen im Freiland und Laboratorium. – Zoolologisches Jahrbuch für Systematik 97: 201–284.
  • Sauer, K. P. 1973: Untersuchungen zur Habitatselektion bei Panorpa communis mit einem Beitrag zur Theorie des Begriffs Monotop und seine Beziehung zur ökologischen Nische. – Zoolologisches Jahrbuch für Systematik 100: 477–496.   
  • Sauer, K. P & Hensle, R. 1975: Panorpa communis L. und P. vulgaris Imhoff und Labram, zwei Arten. – Experientia 31: 428–429.
  • Sauer, K. P. & R. Hensle 1977: Reproduktive Isolation, ökologische Sonderung und morphologische Differenz der Zwillingsarten Panorpa communis L. und P. vulgaris Imhoff und Labram (Insecta, Mecotera). Eine vergleichende biologische und evolutionsökologische Studie. – Zeitschrift für zoologische Systematik und Evolutionsforschung 15: 169–207.
  • Sauer, K. P. A. Vermeulen & N. Aumann 2003: Temperature-dependent competition hierarchy: a mechanism stabilizing the phenological strategy in the scorpionfly Panorpa communis L. – Journal of zoological Systematics and evolutionary Research 41 (2): 109–117.
  • Saure, C. 2003: Verzeichnis der Schnabelfliegen (Mecoptera) Deutschlands. – Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 8: 299–303.
  • Shiperovitsch, V. J. 1925: Biologie und Lebenszyklus von Panorpa communis L. – Revue russe d'entomologie 19: 27–40. [auf Russisch]
  • Steiner, P. 1930: Studien an Panorpa communis L. – Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 17: 1–67.
  • Willmann, R. 2018: Panorpa communis Linnaeus, 1758 – die Gemeine Skorpionsfliege (Mecoptera). Insekt des Jahres 2018. – Entomologische Nachrichten und Berichte 62 (1): 3–17.
  • Wolf, K. 1961: Erste entwicklungsgeschichtliche Beiträge zum Eitypus Panorpa communis (Mecoptera). – Zulassungsarbeit am Zoologischen Institut Würzburg.

 

Autor(-en): Matthias Nuß. Letzte Änderung am 25.05.2022

Männchen der Gemeinen Skorpionsfliege im August 2015, Arnsdorf
(© Tilmann Adler)


Panorpa communis mit reduzierter Flügelzeichnung. Kämmereiforst bei Eilenburg, Mai 2018
(© Matthias Nuß)


Weibchen der Gemeinen Skorpionsfliege im Juli 2014, östlich von Radeberg
(© Tilmann Adler)


Panorpa communis mit reduzierter Flügelzeichnung. Kämmereiforst bei Eilenburg, Mai 2018
(© Matthias Nuß)


Männchen der Gemeinen Skorpionsfliege am 10.05.2014 im Tharandter Wald am Seerentalweg
(© Lothar Brümmer)


Männchen der Gemeinen Skorpionsfliege am 16.05.2014 im Glashütter Ortsteil Schlottwitz
(© Stefan Höhnel)


Ein Weibchen der Gemeinen Skorpionsfliege klettert im Netz einer Spinne. Kirchberg-Leutersbach, Ufervegetation, August 2013
(© Joachim Kupfer)


Männchen der Gemeinen Skorpionsfliege am 16.05.2014 im Glashütter Ortsteil Schlottwitz
(© Stefan Höhnel)
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