Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767))

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Diagnose

Körperlänge: 8–10 mm. 

Körper abgeflacht, Männchen grau und braun, Weibchen cremeweiß und durchscheinend.

Kopf: Augen deutlich bauchwärts gerichtet und in der Mitte stark angenähert. Mundwerkzeuge reduziert.

Thorax: Halsschild überragt den Kopf vollständig und weist oberhalb der Komplexaugen jeweils einen Fensterfleck auf. Männchen mit voll entwickelten Vorder- (Elytren) und Hinterflügeln, bei den Weibchen sind die Flügel zu kleinen Stummeln reduziert.

Hinterleib: Segmente 5 und 6 bauchseitig mit Leuchtorganen, die bei Tageslicht in cremeweißer Färbung erscheinen; die Weibchen auch im vorderen Bereich mit Leuchtorganen; das Leuchten ist hellgrün, das Leuchtmuster bei den Männchen sind zwei breite Striche, bei den Weibchen vier kräftige Punkte und ein dahinter befindliches Querband.

Die Männchen des Glühwürmchens sind in unserer Natur die einzigen Insekten, die fliegen und leuchten können.

Ähnliche Arten: Großer Leuchtkäfer (Lampyris noctiluca) und Kurzflügelleuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus).

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Nomenklatur

Lampyris splendidula Linnaeus, 1767: 644.

Merkmale

Die Eier sind kugelig und weisen ein Eigenleuchten auf. Ein Weibchen erzeugt 50–147 Eier, die nachts abgelegt werden; im Durchschnitt enthält ein Gelege 60–90 Eier.
Die Larven weisen einen flachen, dunkel gefärbten Körper auf. Dort, wo sich die Leuchtorgane befinden, ist ihr Außenskelett hellbraun gefärbt. Ihr Leuchten nach Einbruch der Dämmerung ist sehr schwach. Eine ausführliche Beschreibung der Morphologie der Larven findet sich bei Novák (2018).
Die Puppen sind cremeweiß, Hinterleib bauchseitig und lateral mit Leuchtorganen, bei den Männchen sind die adulten Leuchtorgane auf den Segmenten 5 und 6 bereits vorhanden und funktionsfähig (Novák 2018).

Verbreitung

Das Glühwürmchen ist in seiner Verbreitung auf Europa beschränkt und kommt von den Niederlanden, Deutschland und Polen südlich bis Spanien, Sardinien, Mittelitalien und Griechenland vor. Im Westen reicht die Verbreitung bis Nancy (sonst nicht in Frankreich) sowie im Osten bis in den westlichen und südlichen Teil des europäischen Russlands (aus Fernost ist L. splendidula nicht bekannt, Medvedev & Rybkin 1992), die Ukraine und Georgien. Nachweise aus Nordamerika gehen auf Fehlbestimmungen zurück (Olivier 1910; Horion 1953; Alonso-Zarazaga & Geisthardt 2007; Geisthardt & Sató 2007; GBIF). Lamprohiza splendidula fehlt in Nordeuropa und bereits in Deutschland nimmt ihre Häufigkeit nach Norden deutlich ab.

Lange (2003) publiziert einen Fund von zwei Exemplaren aus Mecklenburg (Plauer See, 03.07.1999) und verweist darauf, dass L. splendidula der Fachwelt bis dato aus Mecklenburg nur aus dem 19. Jahrhundert bekannt war. Für Schleswig-Holstein ist das Vorkommen von L. splendidula seit Langem aus dem Südosten des Niederelbegebietes bekannt. Am 21.07.1992 wurde ein Männchen 50 km nördlich dieses Gebietes festgestellt, am Rande einer Kiesgrube bei Segrahn im Kreis Herzogtum Lauenburg. Dieser Fundpunkt gilt als das nördlichste Vorkommen von L. splendidula in Mitteleuropa (Tolasch 1999). Aus Dänemark ist die Art nicht bekannt (Hansen 1964). In Großbritannien gilt L. splendidula als nicht indigen. Dennoch gibt es einen historischen Nachweis aus Kent aus dem Jahr 1884, der durch Sammlungsmaterial belegt ist (Allen 1989).

Lebensweise

Etwa 35 Tage nach der Eiablage schlüpfen die Glühwürmchenlarven im August aus dem Ei. Sie fressen vorwiegend Nackt- und Gehäuseschnecken, die bis zu 2-mal so lang und 15-mal schwerer sein können als sie selbst. Die Schnecken werden durch einen Giftbiss getötet und innerhalb von 24–36 Stunden aufgefressen. Die Glühwürmchenlarven häuten sich sechs Mal und überdauern drei Winter. Erst nach 34 Monaten verpuppen sie sich im 4. Lebensjahr im Juni. Nach einer 7-tägigen Puppenruhe schlüpfen die erwachsenen Käfer (Schwalb 1961).

Die Männchen beginnen in der Dämmerung zu fliegen und leuchten. Die Weibchen sitzen am Boden und beginnen offensichtlich erst nach der Wahrnehmung der leuchtenden Männchen ebenfalls zu leuchten. Erst daraufhin können die Männchen die Weibchen finden. Das Leuchten an einem Standort und einem Abend dauert meist nur 30–60 Minuten. Der abendliche Zeitraum der Flugaktivität erstreckt sich von frühestens 21:40 bis spätestens 23:10 Uhr und der Flughöhepunkt von 22:10 bis 22:50 Uhr (Lautenschläger et al. 2023). Duftstoffe für die Partnerfindung gibt es bei dieser Käferart nicht. Die Lebensdauer der Männchen beträgt 5–7 Tage, die der Weibchen 7–10 Tage. Da die erwachsenen Tiere aufgrund der reduzierten Mundwerkzeuge keine Nahrung aufnehmen können (wohl aber Wasser), wird ihr Fettkörper in dieser Zeit vollständig aufgebraucht, womit ihr Nettokörpergewicht auf unter 50% sinkt. Werden die Tiere nicht vorzeitig von Räubern gefressen (viele Männchen werden in Spinnennetzen gefangen), sterben die Männchen nach der Paarung und die Weibchen nach der Eiablage einen Hungertod (Schwalb 1961).

In Sachsen erstreckt sich die Flugzeit der Männchen von Mitte Juni bis Anfang Juli, im Gebirge vereinzelte Funde auch etwas später, der Höhepunkt liegt in der letzten Junidekade (siehe Phänologiediagramm).

Lebensräume

Individuenstarke Populationen kommen in lichten Laub- und Auwäldern sowie in gehölzreichen Tallagen mit Fließgewässern vor. Laubwälder in verschiedenen Vergesellschaftungen, welche die folgenden ökologischen Eigenschaften aufweisen, sind als Lebensraum für Glühwürmchen besonders geeignet:

  • auch an heißen Tagen sinkt die Luftfeuchte nicht unter 80%,
  • kein direktes Sonnenlicht,
  • Vorhandensein von Schnecken (Nahrung der Glühwürmchenlarven),
  • Vorhandensein von Laubgehölzen,
  • Vorhandensein von lockerem Bodenmaterial (Humus, Rohhumus),
  • Vorhandensein frischer Gräser, die am Boden der Wälder wachsen.

Außerhalb solcher Lebensräume können Glühwürmchen auch in Ahornbeständen vorkommen, die keine Krautschicht aufweisen, da das Falllaub der Ahorne ausreichend Nahrung für Schnecken bietet, von denen sich die Glühwürmchenlarven ernähren.
Geeignete Lebensräume, die aber nicht so starke Populationsdichten aufweisen, sind u. a. auch lichte Nadelwälder mit Laubgehölzen in der Strauchschicht (z. B. Blaubeeren) und Gräsern in der Krautschicht sowie städtische Parkanlagen. Letztere zeigen häufig Störfaktoren, sodass sich in diesen Lebensräumen nicht so starke Populationen etablieren können. Zu diesen Störfaktoren zählen insbesondere (1) fehlende Feuchte aufgrund geringer Bestandsgröße und / oder offenem Bestandscharakter, (2) Zerstörung der Mikrohabitate durch Laubentfernung, wobei an die dreijährige Entwicklungszeit der Käfer zu denken ist, und (3) die Grasmahd, welche einen Großteil der Schneckennahrung entfernt. Durch ein Management dieser drei Faktoren ließen sich Glühwürmchen in Laubgehölzen, auch in städtischen Parkanlagen, gezielt fördern.
Aufgrund der Flügellosigkeit der Weibchen können diese, im Zusammenhang mit der Adaptation an Feuchtigkeit, sich nur schwer in der zersiedelten Landschaft ausbreiten. Sind die Tiere an einem z. B. durch Äcker oder Straßen isolierten Ort einmal verschwunden, können sie kaum dorthin zurückkehren.

Bestandssituation

Das Glühwürmchen gehört in Sachsen zu den am besten erforschten Insektenarten. Während des sächsischen Citizen Science-Projektes „Wo tanzt das Glühwürmchen?“ wurden von 2007–2009 3.998 Beobachtungen mitgeteilt (laternentanz.eu). Diese Vorkommen sind über ganz Sachsen verteilt und zeigen, dass das Glühwürmchen insgesamt in seinem Bestand nicht gefährdet ist. 91% der Beobachtungen gingen auf jeweils weniger als einhundert Individuen zurück, 8% der Beobachtungen auf 100–999 Individuen und 1% auf 1.000 und mehr Individuen. In intakten Lebensräumen wurden an einem Abend mehrere Tausend fliegende Männchen des Glühwürmchens beobachtet. Somit bestehen lokal sehr große Unterschiede in den Populationsgrößen (Nuß & Tränkner 2008; Münch et al. 2009, 2010 a, b).

Literatur  

  • Allen, A. A. 1989: Lamprohiza splendidula (L.) (Col., Lampyridae) taken in Kent in 1884. – Entomologist‘s Monthly Magazine 125: 182.
  • Alonso-Zarazaga, M. & M. Geisthardt 2007: Fauna Europaea, version 1.3. – Lamprohiza splendidula
  • Bongardt, J. 1903: Beiträge zur Kenntnis der Leuchtorgane einheimischer Lampyriden. – Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 75: 1–45.
  • Geisthardt, M. 1974: Das thorakale Skelet von Lamprohiza splendidula (L.) unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechtsdimorphismus (Coleoptera: Lampyridae). – Zoologische Jahrbücher, Abteilung für Anatomie und Ontogenie der Tiere 93: 299–334.
  • Geisthardt, M. 1979: Skelet und Muskulatur des Thorax der Larven und Imagines von Lamprohiza splendidula (L.) unter Berücksichtigung der Larve und der weiblichen Imago von Lampyris noctiluca (L.) (Coleoptera: Lampyridae). – Zoologische Jahrbücher. Abteilung für Anatomie und Ontogenie der Tiere 101: 472–536.
  • Geisthardt, M. & M. Sató 2007: Lampyridae. S. 225–234. – In: I. Löbl & A. Smetana, Catalogue of Palaearctic Coleoptera 4. – Apollo Books, Stenstrup.
  • Hansen, V. 1964: Fortegnelse over Danmarks biller (Coleoptera). – Entomologiske Meddelelser 33: 1–507.
  • Höllrigl, M. G. 1908: Lebensgeschichte von Lamprorrhiza splendidula mit besonderer Berücksichtigung des Leuchtvermögens. – Berichte des naturwissenschaftlichen-medizinischen Verein Innsbruck 31: 167–230, Taf. I–III.
  • Horion, A. 1953: Faunistik der mitteleuropäischen Käfer. Band 3: Malacodermata Sternoxia (Elateridae bis Throscidae). – Entomologische Arbeiten aus dem Museum G. Frey, München Suppl. I–XX, 1–340.
  • Lange, L. 2003: Bemerkenswerter Fund des Leuchtkäfers Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767) in Mecklenburg-Vorpommern (Col., Lampyridae). – Entomologische Nachrichten und Berichte, Dresden 47 (1): 50.
  • Lautenschläger, T., J. Kretzschmar & M. Nuß 2023: Die zeitliche Flug- und Leuchtaktivität männlicher Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula) (Coleoptera) in Sachsen. – Sächsische Entomologische Zeitschrift 11: 61–67.
  • Linnaeus, C. 1767: Systema naturae. – Laurentii Salvii, Holmiae. 533–1327.
  • Medvedev, L. N. & A. B. Rybkin 1992: Lampyridae. S. 26–29. – In: P. A. Lera, Opredelitel Nasekomych Dalnego Wostoka SSSR 3 (2). – Rossiskaya Akademia Nauk. – Nauka, St. Petersburg. [in Russ.]
  • Münch, M., M. Nuß & J. Seidel 2009: Das Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767)) in Sachsen - Ergebnisse der sächsischen Suchaktion „Wo tanzt das Glühwürmchen?“ aus dem Jahr 2008 (Coleoptera: Lampyridae). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 4: 18–32.
  • Münch, M., M. Nuß & J. Seidel 2010a: Das Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767)) in Sachsen – Ergebnisse der sächsischen Suchaktion „Wo tanzt das Glühwürmchen?“ aus dem Jahr 2009 (Coleoptera: Lampyridae). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 5: 31–39.
  • Münch, M., M. Nuss & J. Seidel 2010b: Das Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767)) in Sachsen – Zusammenfassung der Ergebnisse der sächsischen Suchaktion „Wo tanzt das Glühwürmchen?“ aus den Jahren 2007–2009 (Coleoptera: Lampyridae). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 5: 40–48.
  • Novák, 2018: Redescription of immature stages of central European fireflies, Part 2: Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767) larva, pupa and notes on its life cycle and behaviour (Coleoptera: Lampyridae). – Zootaxa 4378 (4): 516–532.
  • Nuß, M. & J. Seidel 2008: Historische Vorkommen des Glühwürmchens (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767)) in Sachsen (Coleoptera: Lampyridae). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 3: 30–38.
  • Nuß, M. & A. Tränkner 2008: Das Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula (Linnaeus, 1767)) in Sachsen – Ergebnisse der sächsischen Suchaktion „Wo tanzt das Glühwürmchen?“ aus dem Jahr 2007 (Coleoptera: Lampyridae). – Sächsische Entomologische Zeitschrift 3: 39–48.
  • Olivier, E. 1910: Lampyridae. 68 S. – In: S. Schenkling, Coleopterorum Catalogus 9. – W. Junk, Berlin.
  • Schwalb, H. H. 1961: Beiträge zur Biologie der einheimischen Lampyriden Lampyris noctiluca Geoffr. und Phausis splendidula Lec. und experimentelle Analyse ihres Beutefang- und Sexualverhaltens. – Zoologische Jahrbücher, Abteilung für Systematik, Ökologie und Geographie der Tiere 88 (4): 399–550.
  • Tolasch, T. 1999: Erstnachweis von Lamprohiza splendidula (Linnaeus) in Schleswig-Holstein. – Bombus 3: 164.

Links

Autor(-en): Matthias Nuß, Anonym. Letzte Änderung am 04.03.2024

Glühwürmchenmännchen Ende Juni 2016 in Hohenprießnitz
(© Matthias Nuß)


Pöhla, Luchsbachtal, 28. Juni 2022
(© Uwe Kaettniß)


Leuchtendes Männchen von der Bauchseite fotografiert. Im Dunkeln ist die Leuchtfarbe grün. Hohenprießnitz, Juli 2020
(© Michael Happ)


Glühwürmchenmännchen (Dorsalansicht). Deutlich zu erkennen ist der den Kopf vollständig überdeckende Halsschild, der am Vorderrand zwei Fensterflecken oberhalb der Komplexaugen, die schwarz durchscheinen, aufweist.
(© H.-P. Reike & M. Nuß)


Glühwürmchenmännchen (Ventralansicht). Deutlich sind am Kopf die sich fast berührenden Komplexaugen sowie auf den Hinterleibssegmenten 5 und 6 die beiden Leuchtorgane zu erkennen.
(© H.-P. Reike & M. Nuß)


Weibchen des Glühwürmchens. Es saß im Uferbereich der Chemnitz leuchtend auf einem Zweig in Bodennähe. Chemnitz-Schloßchemnitz, 02.07.2021
(© Benjamin Franke)


Leuchtendes Weibchen des Glühwürmchens im Juni 2014 in Reichenbach / Vogtl.
(© Rainer Ullrich)


Eine Glühwürmchenlarve überwältigt eine Wurmnacktschnecke (Boettgerella pallens).
(© Ekkard Seidl)


Männchen des Glühwürmchens. Chemnitzaue bei Draisdorf, 23. Juni 2014
(© Reinhard Weidlich)


Weibchen des Glühwürmchens. Chemnitzaue Draisdorf, 23. Juni 2014.
(© Reinhard Weidlich)


Larve des Glühwürmchens. Chemnitz, Zeisigwald, 2. Februar 2013
(© Reinhard Weidlich)
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