Diagnose
Männliche Terminalia: Paraprokt apikal mit einer Krone aus spitzen Dornen. Gonocoxite außen ohne Schuppen. Subapikallobus mit blattartigem Anhang und mit mehreren Dornen. Oberes Sklerit des Aedoeagus stabförmig, die stumpfe Spitze nach außen gerichtet, nicht die Krone erreichend.
Gesetzlicher Schutz und Rote Liste
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Nomenklatur
Culex pipiens Linnaeus, 1758: 602
= Culex molestus Forskål, 1775: 85
Die Art wurde bereits vor ihrer heute gültigen wissenschaftlichen Benennung wissenschaftlich beschrieben, u.a. von Réaumur (1738: 632–636, Taf. 43–44), worauf sich auch Linnaeus (1758) bezieht.
Merkmale
Zur Identität von C. pipiens und C. molestus vergleiche u.a. Harbach et al. (1984, 1985) und Harbach (2012). Zwischen den beiden physiologischen Varianten ‘pipiens’ und ‘molestus’ kann es lokal zu eingeschränktem Genfluss kommen, doch galten die beiden Varianten weder morphologisch noch genetisch als konsequent voneinander trennbar (Bryne & Nichols 1999; Weitzel et al. 2009; Harbach 2012). Rudolf et al. (2013) nutzten Multiplex Real-Time PCR, um gleichzeitig das ace2-Gen zur Unterscheidung von Culex torrentium sowie den Mikrosatelliten-Lokus CQ11 zur Differenzierung der C. pipiens-Biotypen analysieren zu können.
Verbreitung
Die Nördliche Hausmücke (Culex pipiens) stammt wie die Südliche Hausmücke (Culex quinquefasciatus) aus Afrika. Beide Arten wurden durch den Menschen in andere Regionen verschleppt. Die Nördliche Hausmücke ist heute weltweit verbreitet, während die Südliche Hausmücke nur aus tropischen und subtropischen Regionen zwischen 36°N und 36°S bekannt ist. Außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes in Afrika kann es zu Hybridisierungen zwischen diesen beiden Arten kommen (Harbach 2012). In Nordamerika gibt es zwischen beiden Arten eine Hybridzone zwischen 36°N und 39°N.
Lebensweise
Es überwintern befruchtete Weibchen in Kellern und natürlichen Höhlen. Die Eiablage erfolgt im Frühjahr. Larven hängen mit einem Atemrohr an der Wasseroberfläche und ernähren sich von Mikroorganismen. Die Entwicklung vom Ei bis zum adulten Insekt verläuft über vier Larvenstadien bei günstigen Temperaturen in weniger als 2 Wochen. Die Adulten sind nachtaktiv.
Es gibt zwei physiologische Varianten, auch Ökotypen oder Biotypen genannt: ‘pipiens’ und ‘molestus’ (Harbach 2012).
‘pipiens’-Larven benötigen einen ausreichend großen Wasserkörper, um sich entwickeln zu können, die Weibchen saugen Blut an Vögeln und benötigen die Blutmahlzeit, damit die Eier reifen können und es gibt eine Winter-Diapause.
‘molestus’-Larven können sich in kleinen, feuchten Bereichen entwickeln, die Weibchen saugen Blut an Säugetieren, insbesondere Menschen, die Eier können sich auch ohne Blutmahlzeit entwickeln und die Tiere benötigen keine Winter-Diapause (Bryne & Nichols 1999).
Lebensräume
‘pipiens’-Larven leben sowohl in natürlichen, sauberen, besonnten oder beschatteten Gewässern als auch in künstlichen und stark verschmutzten Gewässern.
‘molestus’-Larven leben in "unterirdischen" Habitaten wie geflutete Keller, U-Bahn-Tunneln, Kanalisationen, Brunnen und Klärgruben (Wilkerson et al. 2021).
Bestandssituation
Die Nördliche Hausmücke gehört zusammen mit der Überschwemmungsmücke (Aedes vexans) zu den häufigsten Mückenarten in Deutschland (Werner & Kampen 2019).
Medizinische Bedeutung
Die Weibchen des ‘molestus’-Typs saugen Blut des Menschen. Beim Blutsaugen injizieren sie Eiweiße, um die Gerinnung der im Blut enthaltenen Eiweiße zu verhindern. Die für den Wirt körperfremden Eiweiße der Mücke lösen eine Immunreaktion beim Wirt aus. Im Darm der Mücke hingegen wird das Blut sofort eingedickt, um die Flugfähigkeit des Tieres herzustellen.
Beim Blutsaugen können die Mücken das Ockelbo-Virus (OCKV), den Erreger der Ockelbo-Krankheit, übertragen, die mit Fieber, Hautausschlägen und hartnäckigen Gelenkschmerzen einhergehen kann (Becker et al. 2003). OCKV ist ein Subtyp des Sindbis-Virus (SINV), das 2009 erstmals in deutschen C. pipiens-Populationen nachgewiesen wurde. Der Erreger verursacht meist eine harmlose fiebrige Erkrankung mit Entzündungen der Gelenke, die zum Teil mit Hautausschlägen und selten mit einer Enzephalitis einhergeht. Ob C. pipiens diese Krankheit auf den Menschen übertragen kann, ist unbekannt (Jöst et al. 2010).
Im Jahr 2018 trat in Deutschland erstmals das West-Nil-Fieber bei Menschen, Vögeln und Säugetieren auf, verursacht durch das West-Nil-Virus (WNV). Das Virus wurde in Culex pipiens in den ‘pipiens’ und ‘molestus’-Biotypen sowie deren Hybriden nachgewiesen (Kampen et al. 2020).
Literatur
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- Becker N., D. Petric , M. Zgomba, C. Boase, C. Dahl, J. Lane &. A. Kaiser 2003: Mosquitoes and their control. – Kluwer Academic et Plenum Publishers, New York, 498 S.
- Britz, L. 2010: Stechmückenforschung in Leipzig (Diptera, Culicidae). - Entomologische Nachrichten und Berichte 54 (3-4): 266-268.
- Byrne, K. & R. A. Nichols 1999: Culex pipiens in London Underground tunnels: differentiation between surface and subterranean populations. – Heredity 82: 7–15.
- Dahl, C. I., A. Kaiser & N. Becker 1999: Culicidae. S. 51–52. – In: H. Schumann, R. Bährmann & A. Stark, Checkliste der Dipteren Deutschlands. – Studia Dipterologica, Suppl. 2.
- Forskål, P. 1775: Descriptiones animalium avium, amphibiorum, piscium, insectorum, vermium; quæ in itinere orientali observavit Petrus Forskål. Post mortem auctoris edidit Carsten Niebuhr. Adjuncta est materia medica Kahirina atque tabula maris rubri geographica. – Hauniæ. S. 1–20, I–XXXIV, 1–164, 1 Karte.
- Harbach, R. E., C. Dahl & G. B. White 1985: Culex (Culex) pipiens Linnaeus (Diptera:Culicidae): Concepts, type designations, and description. – Proceedings of the Entomological Society of Washington. 87: 1–24.
- Harbach, R. E., B. A. Harrison & A. M. Gad 1984: Culex (Culex) molestus Forskål (Diptera: Culicidae): Neotype designation, description, variation, and taxonomic status. – Proceedings of the Entomological Society of Washington 86: 521–542.
- Harbach, R. E. 2012: Culex pipiens: species versus species complex – taxonomic history and perspective. – Journal of the American Mosquito Control Association 28 (4s): 10–24.
- Jöst, H., A. Bialonski, V. Storch, S. Günther, N. Becker & J. Schmidt-Chanasit 2010: Isolation and phylogenetic analysis of Sindbis viruses from mosquitoes in Germany. – Journal of Clinical Microbiology 48 (5): 1900–1903.
- Kampen, H., C. M. Holicki, U. Ziegler, M. H. Groschup, B. A. Tews & D. Werner 2020: West Nile Virus Mosquito Vectors (Diptera: Culicidae) in Germany. – Viruses 12 (5): 493.
- Linnaeus, C. 1758: Systema naturae per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species, cum characteribus, differentiis, synonymis, locis. Ed. 10, Vol 1. – Holmiae. 824 S.
- Réaumur, R. A. F. de 1738: Memoires pour servir a l’histoire des insectes 4: xxxvi + 636 S., 44 Taf.
- Rudolf, M., C. Czajka, J. Börstler, C. Melaun, H. Jöst, H. von Thien, M. Badusche, N. Becker, J. Schmidt-Chanasit, A. Krüger, E. Tannich & S. Becker 2013: First nationwide surveillance of Culex pipiens complex and Culex torrentium mosquitoes demonstrated the presence of Culex pipiens biotype pipiens/molestus hybrids in Germany. – PLoS ONE 8: e71832.
- Weitzel, T., A. Collado, A. Jöst, K. Pietsch, V. Storch & N. Becker 2009: Genetic differentiation of populations within the Culex pipiens complex and phylogeny of related species. – Journal of the American Mosquito Control Association 25 (1): 6–18.
- Werner, D. & H. Kampen 2019: Stechmücken-Monitoring über das Citizen-Science-Projekt "Mückenatlas". – Natur und Landschaft 94 (3): 125–127.
- Wilkerson, R. C., Y.-M. Linton & D. Strickman 2021: Mosquitoes of the world. – Johns Hopkins University, Baltimore. Band 1: X+599 S., Band 2: S. I–XI, 600–1308.
- Zittra, C., E. Flechl, M. Kothmayer, S. Vitecek, H. Rossiter, T. Zechmeister & H. P. Fuehrer 2016: Ecological characterization and molecular differentiation of Culex pipiens complex taxa and Culex torrentium in Eastern Austria. – Parasites and Vectors 9: 197.
Links
- Culex pipiens in The Walter Reed Biosystematics Unit (WRBU)
Autor(-en): Matthias Nuß, Uwe Kallweit. Letzte Änderung am 29.08.2022
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Männliche Fühlergeißel
(© Uwe Kallweit)
Flügel, Männchen
(© Uwe Kallweit)
Männliche Terminalia von oben
(© Uwe Kallweit)
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