Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica (Latreille, 1804))

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körperlänge: Männchen 16–21 mm, Weibchen 22–30 mm.

Körperfarbe ist stark durch Umgebungsfarbe geprägt.

Kopf: Fühler kürzer als Körper.

Thorax: Halsschild mit tiefem Einschnitt; Hinterflügel an der Basis rot mit einer breiten braun-schwarzen Querbinde und einem bräunlichen Spitzenteil; Hinterschienen sind schwarz gefärbt mit weißem Ring an der Basis; Hinterschenkel mit schwach ausgeprägter Stufe auf der Oberseite.

Gesang der Männchen: leises Schwirren, welches leicht mit dem Gesang der Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) verwechselt werden kann. Die Laute scheinen etwas kürzer und stimmhafter als bei Oedipoda caerulescens und werden schneller wiederholt.

Ähnliche Art: Die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) besitzt blaue Hinterflügel, die Rotflügelige Schnarrschrecke (Psophus stridulus) und die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata) sind in Ruhe durch die bei den Ödlandschrecken vorhandene Stufe oben am Hinterschenkel unterscheidbar. 

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Rote Liste Sachsen: ausgestorben oder verschollen
Rote Liste Deutschland: vom Aussterben bedroht

Nomenklatur

Oedipoda germanica kraussi Ramme, 1931
Der Status der nahe verwandten Taxa Oedipoda fuscocincta Lucas, 1847 (= O. f. morini Defaut, 2006 und O. f. portugalensis Ramme, 1931) und Oedipoda coerulea Saussure, 1884 ist ungeklärt (Hochkirch et al. 2023).

Merkmale

Verbreitung

Von Deutschland südlich bis Marokko sowie Korsika, Sardinien und Tunesien (Hochkirch et al. 2023). Die Art erreicht in Deutschland ihre nördliche Verbreitungsgrenze (Fischer et al. 2020; Hiller et al. 2020).

Lebensweise

Die Eiablage erfolgt paketweise als Ootheken mit jeweils 6–24 Eiern (Im Schnitt 17–20) im Boden bzw. auf oder zwischen Steinen. Die Larven schlüpfen ab Mitte Mai und durchlaufen anschließend fünf Larvenstadien (Dolek 2003). Imagines treten von Juni bis Oktober auf, mit Höhepunkt im August (Fischer et al. 2020). Aufgrund der häufig kleinen Populationen bilden sich dabei auch oft geringe Individuendichten aus (Dolek 2003). Isolation, hervorgerufen durch die eingeschränkte Mobilität dieser Art, ist in solchen Populationen üblich und auch typisch. Kleine Populationsgrößen und die Isolation peripherer Populationen führen zum Verlust genetischer Variation und den damit verbundenen schädlichen Prozessen. Die Tiere benötigen besonders für ihre Fortpflanzung und Entwicklung hohe Temperaturen (Rada et al. 2015). Die Verhaltensweisen der Rotflügeligen Ödlandschrecke unterscheiden sich kaum von der Blauflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens), weswegen die Männchen oft den Weibchen der anderen Art folgen. Paarungen werden jedoch vermieden (Bellmann 2006). Als reine Bodenbewohner sind sie sehr gut getarnt. Ein flüchtendes Tier kann im Sprungflug eine Distanz von 10 Metern, gelegentlich auch 20 Metern überwinden (Fischer et al. 2020). Die Tiere ernähren sich von verschiedenen, im engeren Lebensraum vorkommenden krautigen Pflanzenarten (Dolek 2003).

Lebensräume

Die wärme- und trockenheitsliebende Art besiedelt nur stark besonnte, ganz vegetationsarme, steinige oder felsige Stellen, meist steile Südhänge in der nähe von Weinbergen (Bellmann 2006; Fischer et al. 2020). Aufzufinden ist die submediterrane Art auch auf Kalkmagerrasen, Kiesgruben und Blockhalden, Steinbrüchen sowie Fels- und Rohbodenstandorten (Dolek 2003; Fischer et al. 2020). „Kalkmagerrasen“ umfasst meist die gesamte Hanglage inklusive der Felsen, Felsbänder und Geröllhalden als tatsächlichen Lebensraum. Aus Angaben anderer Biotope (Grünland, Weinberge) geht bei weiterer Beschreibung der Standorte hervor, dass auch hier Gesteinsflure, Blockhalden und Felsen vorhanden sind. Zu den häufigsten Gefährdungsursachen zählen Verbuschung und Aufforstung. Ablagerungen beziehungsweise Auffüllungen und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Weinbaugebieten sowie Siedlungserweiterungen sind ebenfalls Gefährdungsursachen (Dolek 2003).

Bestandssituation

Die Rotflügelige Ödlandschrecke ist in Sachsen ausgestorben (Klaus & Matzke 2011). Deutschlandweit ist sie vom Aussterben bedroht (Maas et al. 2012). In Sachsen-Anhalt konnte ausgehend von noch besiedelten Flächen eine Ausbreitung auf angrenzende Flächen festgestellt werden, nachdem diese mit Ziegen (Gelände mit steilem Relief) bzw. Koniks (flaches Gelände) beweidet wurden (Hiller et al. 2020). 

Literatur

  • Bellmann, H. 2006: Der Kosmos Heuschreckenführer. – Kosmos Verlag, Stuttgart. 350 S.
  • Börner, J., K. Richter, M. Schneider & S. Straube 1994: Rote Liste Heuschrecken. - In: Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.): Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege. Radebeul. 12 S.
  • Dolek, S. 2003: Rotflügelige Ödlandschrecke Oedipoda germanica (Latreille, 1804). S. 210–213. – In: H. Schlumprecht & G. Waeber, Heuschrecken in Bayern. – Eugen Ulmer, Stuttgart.
  • Fischer, J., D. Steinlechner, A. Zehm, D. Poniatowski, T. Fartmann, A. Beckmann & C. Stettmer 2020: Die Heuschrecken Deutschlands und Nordtirols - Bestimmen - Beobachten – Schützen. – Quelle & Meyer, 368 S.
  • Hiller, G., D. Elias, M. Köhler & S. Tischew 2020: Förderung der Rotflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda germanica). Ziegenrotationsbeweidung auf verbuschten Kalktrockenrasen. – Naturschutz und Landschaftsplanung 11: 518–523.
  • Hochkirch, A., L.-S. Dey & M. Husemann 2023: Phylogeography of the grasshopper genus Oedipoda (Acrididae: Oedipodinae) in the Mediterranean: classic refugia and cryptic lineages. – Biological Journal of the Linnean Society
  • Klaus, D. & D. Matzke 2010: Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer - Rote Liste und Artenliste Sachsens. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie – Druckerei Wagner GmbH. 36 S.
  • Köhler, G. 2017: Wiederansiedlung der Rotflügeligen Ödlandschrecke, Oedipoda germanica (Latreille, 1804) – ein Experiment mit unerwartetem Ausgang. – Artenschutzreport, Jena 37: 8–24.
  • Köhler, G. & G. Wagner 2000: Lebensräume der Rotflügligen Ödlandschrecke, Oedipoda germanica (Latr.), und ihre Vergesellschaftung mit anderen Heuschreckenarten in Thüringen. – Mauritiana 17: 389–416.
  • Maas, S., P. Detzel & A. Staudt 2012 ("2011"): Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken (Saltatoria) Deutschlands. S. 577–606. – In: M. Binot-Hafke, S. Balzer, N. Becker, H. Gruttke, H. Haupt, N. Hofbauer, G. Ludwig, G. Matzke-Hajek & M. Strauch, Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz, Bonn - Bad Godesberg.
  • Stanislav RADA, Lucie ŠTĚPÁNOVÁ, Jan LOSÍK, Jaroslav HOLUŠA, Tomáš KURAS 2015: How does Oedipoda germanica (Orthoptera: Acrididae) cope on the northern edge of its distribution? A demographical study of a completely isolated population. – Eur. J. Entomol. 112(3): 486–492
  • Wagner, G., G. Köhler & U. Berger 1997): Gefährdungsanalyse am Beispiel der Rotflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) in Thüringen. – Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 34: 7–14.
  • Wagner, G., G. Köhler & U. Berger 1999: Ein Versuch zur Wiedereinbürgerung der Rotflügeligen Ödlandschrecke, Oedipoda germanica (Latr.) (Caelifera: Acrididae). – Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen 36: 78–83.
  • Wagner, G., G. Köhler, U. Berger & A. J. Davis 2005: An experiment to re-establish the red-winged grasshopper, Oedipoda germanica (Latr) (Caelifera: Acrididae) threatened with extinction in Germany. – Journal of Nature Conservation 13: 257–266.
Autor(-en): Tommy Kästner, Matthias Nuß, Charlotte Kricke, Jennifer Wintergerst. Letzte Änderung am 12.06.2023

Rotflügelige Ödlandschrecke am 22.07.2013 im Altmühltal, in einem Steinbruch vom Solnhofener Plattenkalk
(© Eva-Maria Bäßler)


Rotflügelige Ödlandschrecke am 22.07.2013 im Altmühltal, in einem Steinbruch vom Solnhofener Plattenkalk
(© Eva-Maria Bäßler)
Login
Termine (Archiv)
Statistik
  • 495256 Beobachtungen
  • 258279 Onlinemeldungen
  • 3415 Steckbriefe
  • 189777 Fotos
  • 8556 Arten mit Fund
  • 5889 Arten mit Fotos

      

Verwendung von Cookies

Wir verwenden Cookies ausschließlich, um diese Website für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.