Kleiderlaus (Pediculus humanus Linnaeus, 1758)

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Diagnose

Die Kleiderlaus ist nach ihrer äußeren Gestalt nicht von der Kopflaus zu unterscheiden. Generell ist die Kleiderlaus zwar größer, aber die individuellen Werte variieren und können sich überschneiden.
Genetisch sind Kopf- und Kleiderlaus im Phum_PHUM540560-Gen unterscheidbar.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Merkmale

Kopf schmaler als Prothorax, Mundwerkzeuge saugend, mit Stechrüssel. Alle Beine von ähnlicher Gestalt: kurz, schwach klammerförmig, Krallen nicht verdickt. Morphologisch nicht von der Kopflaus zu unterscheiden, doch schreiben Weymer & Zumpt (1952), dass diese kleiner sei und stärkere Einkerbungen auf den Hinterleibssegmenten besitzt.
Nach Buxton (1939) erreichen die erwachsenen Kleiderläuse eine Körperlänge von 2,3–3,0 mm (Männchen) bzw. 2,4–3,6 mm (Weibchen), wohingegen Schöll (1955) einen Mittelwert von 3,7 mm (max. 4,0 mm, min. 3,3 mm) angibt. Es variieren also auch die Werte, die in verschiedenen Publikationen angegeben werden.
Genetisch sind Kopf- und Kleiderlaus im Phum_PHUM540560-Gen unterscheidbar (Drali et al. 2013).

Verbreitung

 

Lebensweise

Die Kleiderlaus lebt parasitisch ausschließlich auf dem Menschen (daher keine Übertragung durch Tiere). Die gedeckelten Eier (Nissen) werden vorzugsweise an der Kleidung festgeklebt. Die Tiere sind eng an die Hauttemperatur des Menschen von 31°C angepasst, weshalb sie an durch Kleidung geschützten Körperstellen, nicht aber auf dem Kopf gefunden werden. bei fiebernden Menschen wandern die Läuse auf die Außenseite der Kleidung ab, was die Verbreitung der Läuse und der durch sie übertragenen Krankheiten befördert.
Ein Weibchen legt etwa 150 – 300 Eier ab. Nach sechs Tagen schlüpfen aus den Eier die L1-Larven. Die Larven häuten sich zweimal und entwickeln sich in 10 – 14 Tagen. Sowohl Larven als auch Adulte saugen mehrmals am tage Blut. Bei jedem Stich wird Speichel in die Wunde injiziert, der den Juckreiz auslöst.
Eine aufkommende Verlausung wird bei normaler Körperpflege und Kleidungshygiene im Keim erstickt. Beim Zusammenbrechen gesellschaftlicher Strukturen, insbesondere im Zusammenhang mit Kriegen, wenn eine normale Hygiene nicht mehr gewährleistet ist, weil Menschen ihre Kleidung nicht wechseln geschweige denn waschen können und in Massenunterkünften nächtigen, kann sich die Kleiderlaus sowohl am Wirt gut entwickeln, als auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Nach Dingler (1925) bevorzugt die Kleiderlaus Wollstoffe, Leinen- und Seidenstoffe hingegen „nur im Notfall“.

Lebensräume

Bestandssituation

In Mitteleuropa gegenwärtig sehr selten (Kayser et al. 2005). Geraten die gesellschaftlichen Bedingungen jedoch außer Kontrolle, wie bei kriegerischen Ereignissen und Hungersnöten, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Massenvermehrungen der Kleiderlaus und Epidemien durch von ihr übertragenen Krankheiten.
Raoult et al. (2006) wiesen basierend auf der Untersuchung eines Massengrabes bei Vilnius (Litauen) nach, dass die Verluste auf Seiten der napoleonischen Truppen, unter denen sich auch Tausende Sachsen befanden, auf dem Rückzug aus Russland im Dezember 1812 zu einem Drittel auf durch Kleiderläuse übertragene Krankheiten zurückzuführen sind.

Medizinische Bedeutung

Stiche der Kleiderläuse sind häufig durch die braune Hautverfärbung zu erkennen. Infolge des Kratzens als Reaktion auf den Juckreiz kann es zu gefährlichen Hautentzündungen kommen. Die Kleiderlaus ist Überträgerin des Fleckfiebers (Rickettsia prowazekii), des Läuse-Rückfallfiebers (Borrelia recurrentis), der Tularämie (Francisella tularensis) und des Wolhynischen Fiebers (Bartonella quintana). Die Übertragung dieser Krankheiten erfolgt nicht durch den Stich selbst sondern durch Kontakt- bzw. Schmierinfektion mit den Exkrementen der Laus oder durch zerdrückte Tiere, besonders wenn sie in die Stichwunde oder andere Hautwunden gelangen (Kratzen!). Die Übertragung der Läuse von Mensch zu Mensch erfolgt durch Körperkontakt oder gemeinsam genutzte Textilien (Bettzeug und Bekleidung).
Das Fleckfieber forderte im Ersten Weltkrieg und den folgenden Nachkriegsjahren in Europa mehrere Millionen Menschenleben (Schumann 1989).

Besonderheit

Es ist wissenschaftlich umstritten, ob Kopf- und Kleiderlaus zwei verschiedene Arten darstellen. Beide werden deshalb auch als Unterarten von Pediculus humanus angesehen: P. h. humanus und P. h. capitis. Sie lassen sich fruchtbar miteinander kreuzen. Die Bastarde sind dann vorzugsweise unter den in den Kleidern lebenden Läusen zu finden. Es wird auch vermutet, dass die Kleiderlaus aus der Kopflaus hervorgehen kann. Die Evolution der Kleiderlaus erfolgte im Zusammenhang mit dem Tragen von Kleidung vor etwa 170.000 – 83.000 Jahren (Toups et al. 2011).

Literatur

  • Buxton, P. A. 1939: The louse. – London.
  • Dingler, M. 1925: Die Hausinsekten und ihre Bekämpfung. – Paul Parey, Berlin. 100 S.
  • Drali, R., A. Boutellis, D. Raoult, J. M. Rolain & P. Brouqui 2013: Distinguishing body lice from head lice by multiplex real-time PCR analysis of the Phum_PHUM540560 gene. – PLOS ONE 8, e58088.
  • Kayser, F. H., E. C. Böttger, R. M. Zinkernagel, O. Haller, J. Eckert & P. Deplazes 2005 (11. Aufl.): Medizinische Mikrobiologie. - Georg Thieme, Stuttgart & New York. 765 S.
  • Raoult, D., O. Dutour, L. Houhamdi, R. Jankauskas, P. –E. Fournier, Y. Ardagna, M. Drancourt, M. Signoli, V. D. La, Y. Macia & G. Aboudharam 2006: Evidence for louse-transmitted diseases in soldiers of Napoleon’s Grand Army in Vilnius. – The Journal of Infectious Diseases 193 (1): 112–120.
  • Schaub, G. A. 2020: Blood digestion of triatomines and the body louse Pediculus humanus corporis – a review. – Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie 22: 217–220.
  • Schöll, S. 1955: Kopf- und Kleiderlaus als taxonomisches Problem. – Parasitologische Schriftenreihe 1: 1–58.
  • Schumann, H. 1989 (5. Aufl.): Ordnung Phthiraptera – Tierläuse. S. 143–152. – Urania Tierreich Insekten. – Urania-Verlag Leipzig, Jena, Berlin.
  • Toups, M. A., A. Kitchen, J. E. Light & D. L. Reed 2011: Origin of Clothing Lice indicates early clothing use by anatomically modern humans in Africa. – Molecular Biology and Evolution 28 (1): 29–32.
  • Vater, G. 2020: Zur Ökofaunistik der Menschenläuse (Anoplura, Pediculidae, Pthiridae). Teil 3: Pediculus humanus und Pthirus pubis. – Entomologische Nachrichten und Berichte 64 (2): 115–119.
  • Weyer, F. & F. Zumpt 1952 (3. Aufl.): Grundriss der medizinischen Entomologie. – Johann Ambrosius Barth, Leipzig. 150 S.

 

Autor(-en): Matthias Nuß. Letzte Änderung am 13.11.2020
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