Menschenfloh (Pulex irritans Linnaeus, 1758)

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körperlänge: 2–3,5 mm.

Kopf: ohne Zahnkamm (Ctenidium), vor jedem Auge 2 Borsten.

Thorax: ohne Zahnkamm (Ctenidium).

Hinterleib: Rückenschilder 2–7 mit einer Borstenreihe.

Ähnliche Art: Rattenfloh (Xenopsylla cheopis).

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Merkmale

Argentinische und spanische Populationen von P. irritans sind morphologisch identisch, auch wenn diese von verschiedenen Wirten gesammelt wurden, unterscheiden sich aber genetisch (Zurita et al. 2019).

Verbreitung

Als ursprüngliche Heimat von P. irritans wird Zentral- und Südamerika angesehen, weil dort auch dessen verwandte Arten aus der Gattung Pulex vorkommen. Es wird angenommen, dass der Mensch P. irritans von der Neuen Welt aus verbreitete, entweder über die Beringstraße nach Asien und von dort weiter nach Europa oder von nordischen Seefahrern nach Grönland, England und Irland. Die letztgenannte Variante wird als weniger wahrscheinlich angenommen (Buckland & Sadler 1989). Pulex irritans ist seit 5000 vor Christus in Westeuropa nachweisbar (Panagiotakopulu & Buckland 2017) und kommt heute weltweit vor.

Lebensweise

Als ursprünglicher Wirt wird das Meerschweinchen (Cavia porcellus) angesehen, welches in den Anden domestiziert und während dieses Prozesses wahrscheinlich auf den Menschen übertragen wurde (Buckland & Sadler 1989). Tatsächlich parasitiert P. irritans an einer Vielzahl von Säugetierwirten, in Nordamerika und Mexiko u.a. auch an verschiedenen Fuchsarten (Vulpes spp., Urocyon cinereoargenteus) (Patrick & Harrison 1995; Harrison et al. 2003) sowie als Sonderheit am Kaninchenkauz (Athene cunicularia) (Belthoff et al. 2015; Graham et al. 2016). Nach Peus (1972) ist P. irritans ein Raubtierfloh, genauer ein Parasit der Hundeartigen (Caniformia), der sich sekundär dem Menschen anschließen kann. In Mitteleuropa wird P. irritans in den zurückliegenden Jahrzehnten überwiegend an Rotfüchsen und verwahrlosten Hunden sowie ferner an Katzen, Ratten und Dachsen (Beck & Prosl 2010) sowie Wölfen gefunden (Striese et al. 2024).

Lebensräume

Höhlen von Raubtieren (Carnivora), in Deutschland Wolf, Fuchs und Dachs (Peus 1972, 1984). 

Bestandssituation

Einen Überblick über das Auftreten von P. irritans in archäologischen Fundstätten Europas geben Panagiotakopulu & Buckland (2017). Peus (1972) listet nur 18 Flohnachweise am Menschen auf, für den Zeitraum von 1937–1953 gehen diese ganz überwiegend auf P. irritans zurück. Der Rückgang der Befallsrate beim Menschen wird auf deutlich gestiegene hygienische Bedingungen durch den Einsatz von Insektiziden und die Einführung des Staubsaugers in Haushalten nach dem 2. Weltkrieg zurückgeführt (Beck & Prosl 2010; Panagiotakopulu & Buckland 2017). Striese et al. (2024) fanden in Deutschland im Zeitraum von 2007 bis 2022 93 Individuen an 32 von 87 untersuchten toten Wölfen.

Medizinische Bedeutung

Im Gegensatz zur wahrscheinlichen Herkunft von Pulex irritans aus Mittel- und Südamerika stammt der Mensch aus Afrika und ist somit weder ein ursprünglicher Wirt dieser Flohart, noch handelt es sich dabei um eine ausgeprägte Wirtsspezifität. Der deutsche Name Menschenfloh ist also nicht sehr zutreffend. Dennoch kann Pulex irritans von Mensch zu Mensch Humanpathogene übertragen, die in der Menschheitsgeschichte große Epidemien auslösten. Bei vielen dieser Epidemien spielten aber andere Überträger (Vektoren) eine entscheidendere Rolle.

Experimentell wurde gezeigt, dass P. irritans und der Rattenfloh (Xenopsylla cheopis) für den Erreger der Pest (Yersinia pestis) nur schwache Vektoren sind (Lorange et al. 2005; Miarinjara et al. 2021). Dennoch kommt P. irritans zeitlich und regional wie im mittelalterlichen Nordeuropa oder in den zurückliegenden Jahren in Afrika und Madagaskar möglicherweise eine entscheidendere Rolle bei der Übertragung von Yersinia pestis von Mensch zu Mensch zu, als lange Zeit angenommen (Hufthammer & Walløe 2013; Ratovonjato et al. 2014). Andererseits zeigen Ayyadurai et al. (2010), dass es bei der Kleiderlaus (Pediculus humanus) unterschiedliche Biotypen gibt, von denen der Orientalis-Typ Yersinia pestis überträgt, weshalb die Kleiderlaus stärker auf ihre Bedeutung bei der Übertragung des Pesterregers untersucht werden sollte. 

Weitere Pathogene, die P. irritans übertragen kann, sind z. B. Bartonella quintana und Rickettsia felis. Bartonella quintana ist der Erreger des Fünf-Tage- oder Schützengraben-Fiebers, welches sowohl bei Napoleons Russland-Feldzug als auch am Ende des 1. Weltkrieges zu großen menschlichen Verlusten führte. Als Hauptüberträger der Krankheit gilt allerdings die Kleiderlaus (Pediculus humanus) (Raoult et al. 2006; O’Donnell & Elston 2020). Rickettsia felis ist der Erreger des Flohfleckfiebers, der auch durch andere Floharten übertragen wird (O’Donnell & Elston 2020).

Anmerkung

Die Räuber-Beutebeziehung zwischen Meerschweinchen und Hundeartigen, das Auftreten von P. irritans auf beiden Wirten sowie die weite Verbreitung von Rotfuchs und Wolf in Nordamerika, Asien und Europa lassen auch die Interpretation zu, dass P. irritans über die Hundeartigen eine natürliche Verbreitung auch in der Alten Welt hat und im Zuge der Domestizierung des Wolfes auf den Menschen übergegangen ist. (mn

Literatur

Autor(-en): Matthias Nuß, Anonym. Letzte Änderung am 26.02.2025

Klein Partwitz, März 2020, von einem toten Wolf (Canis lupus) an Straße, leg. D. Jeschke, det. et coll. Dieter Striese
(© Roland Schultz)
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