Distelfalter (Vanessa cardui (Linnaeus, 1758))

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Diagnose

Vorderflügellänge 29–33 mm.

Flügeloberseiten orange mit schwarzen Flecken; Spitze des Vorderflügels schwarz mit weißen Flecken.

Flügelunterseiten: Vorderflügel orange mit schwarzen Flecken, in der spitze hellbraun mit weißen Flecken; Hinterflügel hellbraun und weiß marmoriert, mit einer Reihe blau gekernter Augenflecke.

Distelfalter sind mit ihrer oberseits orangen Grundfarbe und den schwarzen Flecken sowie der schwarzen Vorderflügelspitze mit weißen Flecken unverwechselbar.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Gesetzlicher Schutz (BArtSchV, BNatSchG): Nicht besonders geschützt
Rote Liste Sachsen: ungefährdet
Rote Liste Deutschland: ungefährdet

Merkmale

In der ledergelben Partie der Vorderflügeloberseite befindet sich bei den Distelfaltern ein unregelmäßiges schwarzes Band. Am Rand der Hinterflügeloberseite treten schwarze runde Flecken auf. Auf der Vorderflügelunterseite wiederholt sich abgesehen von der eher braun und weiß gemusterten Spitze etwas kontrastärmer die Zeichnung der Oberseite. Die Hinterflügelunterseite wird durch eine bräunliche Marmorierung mit weißen Zeichnungselementen geprägt, wobei sich in der Postdiskalbinde runde schwarz eingefasste bläulich schimmernde Flecken befinden.
Oft werden blasse und abgeflogene Falter registriert.

Verbreitung

Der Distelfalter ist auf allen Kontinenten mit Ausnahme von Südamerika und der Antarktis verbreitet (Shields 1992; Ebert & Rennwald 1993; Janz 2005; Hall et al. 2014). Die Überwinterung findet auf der Nordhalbkugel südlich des 25. Breitengrades statt, sodass die nach Europa einfliegenden Falter von der nördlichen Afrikaküste vor allem aus Nord-Algerien und Marokko oder aus Saudi-Arabien stammen (Shields 1992). Jahrweise variiert die Reichweite der nördlichen Ausbreitung (Janz 2005). In günstigen Jahren besiedeln die Distelfalter Gebiete nördlich des Polarkreises, sowie Irland, Großbritannien, Island, Spitzbergen, die Orkney und Shetland Inseln (Shields 1992).
In einigen Fällen wurden wandernde Distelfalter von Schiffen beobachtet, unter anderem 500 km vom Festland entfernt auf dem Indischen Ozean, 800 km östlich von Neufundland sowie 2250 km westlich der Saharaküste auf dem Atlantik (Shields 1992).

Lebensweise

Der Distelfalter verlässt alljährlich seine Ursprungsgebiete um zielgerichtet in neue Gebiete einzufliegen, wo sie Nachkommen erzeugen. Diese Nachkommen wandern anschließend wieder in die Ursprungsgebiete zurück und sorgen dort für die nächste Generation (Ebert & Rennwald 1993).
Der Distelfalter kann keine Diapause einlegen, das heißt es findet ständig Reproduktion statt (Shields 1992; Ebert & Rennwald 1993; Nuß 1998). Bodenständige Populationen in Nordafrika bilden bis zu zehn oder zwölf Generationen im Jahr (Reinhardt et al. 2007). Auf den Distelfalter trifft die von Koch (1964) aufgestellte Theorie über einen Wanderungskreis zu, bei dem die Falter den Hauptblütezeiten des Mittelmeerraumes und Mitteleuropas in einem saisonalen Zyklus folgen (Ebert & Rennwald 1993).
Die Distelfalter fliegen in mehreren Wanderungswellen nach Norden (Ebert & Rennwald 1993). In Sachsen erfolgt der Einflug in der Regel unspektakulär und eher einzeln im Mai, selten schon im April (Reinhardt et al. 2007). Im Jahr 2019 sind die Falter jedoch in großer Anzahl eingeflogen und brachten eine individuenstarke 1. Generation hervor, deren Larven oft Kahlfraß an Disteln hervorriefen (siehe dazu die Daten in der Fotogalerie und auf der Karte von Insekten Sachsen). Mit je einem Häufigkeitsmaximum im Juni und August können die Falter bis in den Oktober beobachtet werden (Reinhardt et al. 2007). Ab August beginnt der Rückflug der Nachkommen der eingeflogenen Falter oder einer späteren Generation nach Süden (Reinhardt et al. 2007). In Baden-Württemberg legen im Herbst die aus dem Norden stammenden Falter auf dem Rückweg in Richtung Süden teilweise wieder Eier ab, wodurch im September Jungraupen auftreten (Ebert & Rennwald 1993). Unklar bleibt, ob von Süddeutschland Wanderungen nach Norden beginnen (Ebert & Rennwald 1993).
Die Falter fliegen zum Teil in der Dämmerung und können manchmal am Licht beobachtet werden (Reinhardt et al. 2007; Settele et al. 2009).
Neben Feldern mit Rotklee und Luzerne (Trifolium pratense, Medicago sp.), in denen die Falter häufig anzutreffen sind, dienen auch viele andere Pflanzenarten dem Distelfalter als Nahrungsquelle, vor allem wenn sie in größeren Gruppen beieinander stehen (Ebert & Rennwald 1993). Es werden unter anderem Kratzdistel-Arten (Cirsium sp.), Sommerflieder (Buddleja davidii), Perücken-Flockenblume (Centaurea pseudophrygia), Liguster (Ligustrum vulgare), Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) oder Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) genutzt (Ebert & Rennwald 1993; Reinhardt et al. 2007).
Je nach der Blattstellung erfolgt die Eiablage auf der Ober- oder Unterseite (Ebert & Rennwald 1993). Die Larven des Distelfalters sind ausgesprochen polyphag, sodass Nahrungspflanzen aus 25 Pflanzenfamilien bekannt sind (Janz 2005). Eine besondere Präferenz zeigen die Larven für Korbblütler (Asteraceaa) insbesondere für die Gattungen Kratzdistel (Cirsium) und Distel (Carduus), für Malvengewächse (Malvaceae) und Brennnesselgewächse (Urticaceae) (Janz 2005). Neben diesen Gattungen führen Reinhardt et al. (2007) weitere Wirtspflanzen auf: Huflattich (Tussilago farfara), Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphalium uligonsum), Sandstrohblume (Helichrysum arenarium), Gewöhnlicher Beifuß (Artemisia vulgaris), Acker-Filzkraut (Filago arvensis), Stauden-Lupine (Lupinus polyphyllos) und Schafgarbe (Achillea millefolium). Ebert & Rennwald (1993) schlussfolgern, dass es sich bei den Eiablage- und Raupennahrungspflanzen in der Regel um stachelige oder stark behaarte Arten handelt, die zum Zeitpunkt der Eiablage in lückigen, niedrigwüchsigen oder voll besonnten Beständen stehen. Janz (2005) stellte fest, dass die Falter zur Eiablage Pflanzen bevorzugen in deren Nähe sie ebenfalls Nektar finden. Die ockergelb bis grünlich braunen Larven spinnen ein oder mehrere Blätter der Wirtspflanze locker zusammen (Ebert & Rennwald 1993; Weidemann 1988). Zur Verpuppung als graue Stürzpuppe mit metallischen Flecken wird die Wirtspflanze verlassen (Ebert & Rennwald 1993; Weidemann 1988).
Je nach den herrschenden Bedingungen dauert die Entwicklung vom Ei bis zum Falter zwischen fünf bis acht Wochen (Nuß 1998).

Lebensräume

Als Wanderfalter sind die Tiere potenziell überall anzutreffen, wobei die Distelfalter eine Präferenz für offene oder halboffene Landschaften zeigen (Ebert & Rennwald 1993; Reinhardt et al. 2007). Im Gegensatz zu dem Admiral (Vanessa atalanta) tritt der Distelfalter wesentlich seltener an Waldrändern, Waldlichtungen, Gärten oder Parks auf (Ebert & Rennwald 1993). Stattdessen werden eher Brachländer, ruderale Flächen, Schuttplätze, trockene Hänge, Weinberge, Truppenübungsplätze oder Bahndämme besiedelt (Ebert & Rennwald 1993).

Bestandssituation

Für den Distelfalter liegen aus allen Naturräumen Sachsens Nachweise vor. Bestandsschwankungen sind stark ausgeprägt und werden durch die Quantität der aus dem Süden einfliegenden Falter und den jährlichen Witterungsverlauf beeinflusst. In Jahren mit massenhaften Einflügen, wie es beispielsweise in den Jahren 2002, 2003, 2006, 2009 und 2019 der Fall war, kann es bei uns zu Massenvermehrungen kommen. So liegt aus Dessau die Beobachtung von etwa 5,5 Millionen sich entwickelnden Larven an Disteln und anderen Pflanzen auf einer Brachfläche vor (Reinhardt et al. 2007; Settele et al. 2009).

Literatur

  • Ebert, G. & E. Rennwald 1993: Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 1: Tagfalter I. – Eugen Ulmer, Stuttgart. 552 S.
  • Hall, P. W., C. D. Jones, A. Guidotti & B. Hubley 2014: Butterflies of Ontario. – Royal Ontario Museum, Toronto. 488 S.
  • Janz, N. 2005: The Relationship Between Habitat Selection and Preference for Adult and Larval Food Resources in the Polyphagous Butterfly Vanessa cardui (Lepidoptera: Nymphalidae). – Journal of Insect Behavior 18 (6): 767–780.    
  • Reinhardt, R. 2009: Zum Auftreten bzw. zum Einflug von Admiral Vanessa atalanta (linnaeus, 1758) und Distelfalter Vanessa cardui (Linnaeus, 1758) in Sachsen. – Entomologische Nachrichten und Berichte 53 (3–4): 195–201.
  • Reinhardt, R., Sbieschne, H., Settele, J., Fischer, U. & G. Fiedler 2007: Tagfalter von Sachsen. – Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 11. 695 S.
  • Settele, J., R. Feldmann & R. Reinhardt 1999: Die Tagfalter Deutschlands. – Eugen Ulmer, Stuttgart. 452 S.
  • Settele, J., Steiner, R., Reinhardt, R., Feldmann, R. & G. Hermann 2009 (2. Aufl.): Schmetterlinge. Die Tagfalter Deutschlands. – Ulmer, Stuttgart. 256 S.
  • Shields, O. 1992: World Distribution of the Vanessa cardui Group (Nymphalidae). – Journal of the Lepidopterists' Society 46 (3): 235–238.
  • Stefanescu, C. 2011: Moroccan Source Areas of the Painted Lady Butterfly Vanessa cardui (Nymphalidae: Nymphalinae) Migrating into Europe in Spring. – The Journal of the Lepidopterists' Society 65 (1): 15–26.
  • Stefanescu, C., X. Puig-Montserrat, B. Samraoui, R. Izquierdo, A. Ubach & A. Arrizabalaga 2017: Back to Africa: autumn migration of the painted lady butterfly Vanessa cardui is timed to coincide with an increase in resource availability. – Ecological Entomology 42: 737–747.
  • Stefanescu, C., D. X. Soto, G. Talavera, R. Vila & K. A. Hobson 2016: Long-distance autumn migration across the Sahara by painted lady butterflies: exploiting resource pulses in the tropical savannah. – Biology Letters 12: 20160561.
  • Talavera, G., C. Bataille, D. Benyamini, M. Gascoigne-Pees & R. Vila 2018: Round-trip across the Sahara: Afrotropical Painted Lady butterflies recolonize the Mediterranean in early spring. – Biology Letters 14 (6): 20180274.
  • Talavera, G. & R. Vila 2017: Discovery of mass migration and breeding of the painted lady butterfly Vanessa cardui in the Sub-Sahara: the Europe–Africa migration revisited. – Biological Journal of the Linnean Society 120 (2): 274–285.
  • Talavera, G., A. García-Berro, V. N. K. Talla & R. Vila 2023: The Afrotropical breeding grounds of the Palearctic-African migratory painted lady butterflies (Vanessa cardui). – Proceedings of the National Academy of Sciences 120 (16):
  • Tolman, T. & R. Lewington 1998: Die Tagfalter Europas und Nordwestafrikas. – Franckh-Kosmos, Stuttgart. 319 S., 104 Tafeln. (Übersetzung und fachliche Bearbeitung der 1. Aufl. von M. Nuss; 2. Aufl. 2012 von Heidrun Melzer).
  • Weidemann, H.-J. 1988: Tagfalter. Band 2 Biologie - Ökologie - Biotopschutz. – Neumann-Neudamm, Melsungen. 372 S.

Links

Autor(-en): Susanne Kurze, Matthias Nuß. Letzte Änderung am 24.04.2023

Distelfalter im Fichtelberggebiet bei Oberwiesenthal, Ende Juli 2016.
(© Falk Einenkel)


Frisch geschlüpfte Distelfalter im Juli 2016 in der Feldberger Seenlandschaft
(© Matthias Nuß)


Ei eines Distelfalters abgelegt am 2.6.2009 bei Pechtelsgrün am Wegrand einer Wiese.
(© Matthias Hartung)


Die Raupenwohnung des Distelfalters am 28. Juni 2014 in der Ruderalflur bei Reichwalde auf einer Distel
(© Friedmar Graf)


geöffnete Raupenwohnung des Distelfalters am 28. Juni 2014 in der Ruderalflur bei Reichwalde auf Filzkraut. jüngeres Raupenstadium
(© Friedmar Graf)


Massenbefall mit Larven des Distelfalters an Gewöhnlichem Beifuß, Filziger Klette, Moschus-Malve, Gewöhnlicher Kratzdistel und Acker-Kratzdistel. Weißenborn OT Berthelsdorf, Juli 2019
(© Matthias Nuß)


Raupe des Distelfalters in Neuschirgiswalde Anfang Juli 2019
(© Winfried Löbmann)


Puppe des Distelfalters, Elbhang bei Diera-Zehren im Juni 2007 (Raupe zuvor an Malva sylvestris)
(© Andreas Ihl)
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