Wassermotte (Acentria ephemerella (Denis & Schiffermüller, 1775))

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Diagnose

Vorderflügellänge Männchen 5–6 mm, Weibchen 7–9 mm oder stummelflügelig (N=59).

Kopf: Mundwerkzeuge reduziert. Antennen der Weibchen deutlich kürzer und dünner als beim Männchen. 

Thorax: Vorder- und Hinterflügel weißgrau beschuppt, die Flügeladern gut sichtbar; Innenwinkel der Vorderflügel deutlich gerundet und ohne Knick in den Flügelhinterrand mündend; Fransen weiß. Manche Weibchen mit mehr oder weniger reduzierten Flügeln. Beine dicht mit "Schwimmborsten" besetzt.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Rote Liste Deutschland: ungefährdet

Merkmale

Die Larven leben aquatisch, ihr Integument ist hydrophil, ihre Stigmen sind durch eine Membran geschlossen, die Respiration erfolgt über das Integument. Nur im letzten Larvenstadium ist das Integument wasserabweisend (hydrophobe) und besitzt Mikrostrukturen, die eine Luftschicht halten, aus welcher der Sauerstoff aufgenommen wird (Plastronatmung) (Reichholf 1978; Speidel 2005).

Die Puppen besitzen offene Stigmen, sind hydrophob und ebenfalls von einem Plastron umgeben (Nigmann 1908).

Verbreitung

Heimisch in Europa und der Türkei (Speidel 2005). In Nordamerika eingeschleppt, möglicherweise in den 1940er Jahren mit dem Ährigen Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) (Couch & Nelson 1985; Scholtens & Balogh 1996).

Lebensweise

Nach Nigmann (1908) entwickeln sich am Greifswalder Bodden, wo er in der Natur keine geflügelten Weibchen fand, zwei Generationen im Jahr, eine Sommergeneration von Mai bis September und eine Wintergeneration von September bis Mai. In seinen Untersuchungen fand er bei den weiblichen Puppen lange Flügelscheiden nur in der Wintergeneration, kurze Flügelscheiden nur in der Sommergeneration.  

Die jungen Larven minieren in Stängeln und Blättern ihrer Nahrungspflanze oder fressen frei an diesen. Später falten sie ein Blatt und verspinnen es an den Rändern oder spinnen einen Sack aus Seide und Pflanzenteilen, in dem sie leben. Sie überwintern jung an den zu Boden sinkenden Nahrungspflanzen (Hasenfuß 1960), größere Larven an den Stängeln ihrer Nahrungspflanze (Speidel 2005). Die ausgewachsene Larve ist nahezu transparent, mit einem grünlichen Schein von der Nahrung im Verdauungstrakt. Die ersten Larvenstadien sind hydrophil und nur das letzte ist unmittelbar vor der Verpuppung hydrophob (Berg 1941; Hasenfuß 1960; Reichholf 1978).

Die Larven leben unter Wasser und fressen vor allem an Laichkräutern (Potamogeton spp.), Sumpf-Teichfaden (Zannichellia palustris) und Seegras (Zostera) sowie an Rauem Hornblatt (Ceratophyllum demersum), Tausendblatt (Myriophyllum), Wassernuss (Trapa natans), Wasserpest (Elodea canadensis), Wasserknöterich (Polygonum amphibium), Europäischem Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) und Armleuchteralgen (Chara spp.) (Nigmann 1908; Hasenfuß 1960). Hedal & Schmidt (1999) fanden sie an den Küsten der dänischen Ostsee im Brackwasser an Seegras (Zostera) und Großem Nixenkraut (Najas marina).

Die Verpuppung erfolgt in einem wasserdichten Kokon innerhalb des Larvensackes. Der Kokon ist mit Luft gefüllt und steht mit dem Aërenchym der Nahrungspflanze in Verbindung (Speidel 2005).

Nigmann (1908) fand die Männchen sitzend an feuchten Plätzen bis 20 cm oberhalb des Wasserspiegels oder rasch fliegend über der Wasseroberfläche. Die Tiere sitzen mit ihren Krallen fest auf der Unterlage und sie nehmen keinen Schaden, wenn Wellen über sie hinweggehen.
Gewöhnlich fliegen die geflügelten Männchen und Weibchen nicht weit. Allerdings werden sie von künstlichen Lichtquellen in großer Individuenzahl angelockt und laufen dann am Grund unermüdlich umher bis sie sterben (Sünder 1960; Reichholf 1979).
Die Weibchen mit reduzierten Flügeln leben im Wasser und atmen über ein Plastron: Sie halten auf der Unterseite des Hinterleibs eine Luftschicht, die wie ein silbrig-weißer Mantel aussieht (Nigmann 1908).

Lebensräume

Mesotrophe und schwach eutrophe stehende Kleingewässer und Seen mit großen Mengen submerser Flora (Reichholf 1978) sowie in der Ostsee bis zu einem Salzgehalt von 2% (Hedal & Schmidt 1999). Nigmann (1908) fand die Art häufig im Greifswalder Bodden in der Dänischen Wieck, links und rechts der Mündung des Ryck. 

Bestandssituation

Die Art ist in Deutschland in ihrem Vorkommen nicht gefährdet (Nuss et al. 2012).

Literatur

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  • Bürgis, H. 1992: Die Wassermotte Acentropus niveus, ein Unterwasserschmetterling. – Mikrokosmos 81: 362–367.
  • Couch, R. & E. Nelson 1985: Myriophyllum spicatum in North America. – Proceedings of the First International Symposium on Watermilfoil (Myriophyllum spicatum) and Related Haloragaceae Species, 23–24 July 1985, Vancouver, British Columbia, Aquatic Plant Management Society, Vicksburg, MS.
  • Gorski, W. 1934: Beitrag zur Kenntnis der Morphologie und Biologie von Acentropus niveus Oliv. (Lep.). – Travaux de la Sociétés des Sciences et des Lettres de Wilno, Classe des Sciences Mathematiques et Naturelles 9: 315–333.
  • Gross, E. M., C. Feldbaum & C. Choi 2002: High abundance of herbivorous Lepidoptera larvae (Acentria ephemerella Denis & Schiffermueller) on submersed macrophytes in Lake Constance (Germany). – Archiv für Hydrobiologie 155 (1): 1–21.
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  • Wichard, W., W. Arens & G. Eisenbeis 1995: Atlas zur Biologie der Wasserinsekten. – Gustav Fischer, Stuttgart.

Links

Autor(-en): Matthias Nuß, Franziska Bauer. Letzte Änderung am 04.09.2022

Acentria ephemerella am 04.07.2014 in Weißwasser
(© Eva-Maria Bäßler)


Acentria ephemerella in Anzahl in Hoyerswerda Klein Neida, 21.06.2016
(© Martina Görner)


Jede Menge Wassermotten (Acentria ephemerella) am 09.07.2016 in Königswartha
(© Eva-Maria Bäßler)
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