Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria (Linnaeus, 1758))

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körperlänge: 33–60 mm.

Körperfarbe überwiegend grün oder braun mit rötlichen oder blassgelben Hinterschienen.

Kopf: Fühler kürzer als Körper.

Thorax: Flügel überragen den Hinterleib.

Gesang der Männchen: Auf Spontanflügen wird ein lautes, knatterndes Geräusch erzeugt, welches gut 50 Meter weit zu hören ist. Bei Kontakt mit anderen Individuen erzeugen sowohl die Männchen als auch die Weibchen kurze, bis zu zwei Sekunden dauernde Verse, die mit „kch kch kch“ beschrieben werden können.

Als eine der größten Heuschrecken Europas und durch die den Hinterleib überragenden Flügel unverwechselbar.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Rote Liste Sachsen: nicht bewertet
Rote Liste Deutschland: nicht bewertet

Synonyme

Gryllus (Locusta) migratorius Linnaeus, 1758: 432.
Gryllus (Locusta) danicus Linnaeus, 1767: 702.

Merkmale

Die Art variiert nach Geschlecht, geographischer Rasse sowie Entwicklung einer sesshaften Phase (solitäre Phase) oder einer Wanderphase (gregäre Phase) (Uvarov 1921). Nachfolgend werden die wesentlichen Körpermerkmale für die in Europa auftretenden Entwicklungsphasen gegenübergestellt.

sesshafte Phase  Wanderphase  
 Körperlänge 33–60 mm 35–55 mm
Halsschild (Pronotum) 

Von der Mitte zur Seite jeweils gebuchtet (Ansicht von oben).

Auf dem Rücken mit einem hohen, im Querschnitt gekerbten Längskiel.

Auf dem Rücken etwa in der Mitte eine kleine Einkerbung (Seitenansicht).

Vorderrand von der Mitte zur Seite jeweils undeutlich gebuchtet oder gerade (Ansicht von oben).

Auf dem Rücken mit wenig erhabenem, im Profil geradem oder nur leicht gekerbten Längskiel.

Auf dem Rücken ohne Einkerbung (Seitenansicht).

         
Vorderflügel (Elytren)

Weniger als doppelt so lang wie Hinterschenkel (Metafemur).

Mehr als doppelt so lang wie Hinterschenkel (Metafemur).

Körperfärbung

Kopf und Brust grün, Hinterleib blassgrün, Hinterschiene (Metatibia) rötlich.

Gesamter Körper braun, Hinterschienen blassgelb.

Verbreitung

Das Verbreitungsgebiet der Europäischen Wanderheuschrecke erstreckt sich in Eurasien vom Mittelmeerraum über Zentralasien bis nach Japan einschließlich der Arabischen Halbinsel und Indien. Es umfasst außerdem Afrika und Madagaskar, das tropische Asien, Australien und Neuseeland. Sie besiedelt ozeanische Inseln wie die Azoren im Atlantik und Fiji im Pazifik. Es werden mehrere Unterarten unterschieden. In Eurasien kommt die Europäische Wanderheuschrecke nördlich bis an den Südrand der borealen Nadelwälder sowie in den zentralasiatischen Gebirgen bis auf eine Höhe von 4000 m vor.
In diesem großen Verbreitungsgebiet muss zwischen Regionen unterschieden werden, in denen die Europäische Wanderheuschrecke überwintern und die Schwarmphase ausbilden kann, sowie solchen, in denen sie nur während der Vegetationsperiode einwandern und sich vermehren kann ("Vermehrungsgast"), wie beispielsweise in Deutschland und den weiter nördlich gelegenen Regionen Europas (FAO Locust Watch).

Lebensweise

Wanderheuschrecken treten in einer solitären und einer Wanderphase auf. In der solitären Phase leben sie einzeln und weitestgehend ortstreu. Kommt es unter günstigen Bedingungen zu einer Massenvermehrung und in der Folgegeneration zu einem synchronen Massenschlupf gefolgt von Trockenheit und Schrumpfung der Nahrungsgebiete, berühren sich die Larven infolge einer höheren Populationsdichte häufiger. Das Hormon Serotonin wird verstärkt gebildet, wodurch sich Verhalten und Erscheinung ändern. Die Larven bewegen sich mehr springend als laufend fort und aus diesen Larven entwickeln sich die Adulten der Wanderphase.

Lebensräume

Die früher nach Mitteleuropa einfallenden Schwärme der Europäischen Wanderheuschrecke entwickelten sich in den sandigen Auengebieten der unteren Donau, in Rumänien und Südungarn. Diese Gebiete wurden später entwässert und kultiviert, so dass sie als Lebensräume für die Europäische Wanderheuschrecke verloren sind (Groll & Günther 2003; Bellmann 2006).

Bestandssituation

Mitteleuropa wird seit 1859 nicht mehr von Schwärmen der Europäischen Wanderheuschrecke heimgesucht (Groll & Günther 2003). In Deutschland trat sie historisch stets unbeständig auf und wurde 1949 letztmalig nachgewiesen (Maas et al. 2012). Die letzten Nachweise für Sachsen stammen aus den Jahren 1892 und 1929. Aktuelle Funde dürften sich ausschließlich auf Gefangenschaftsflüchtlinge beziehen (Klaus & Matzke 2010).

Literatur

  • Anonymus 1930: Wanderheuschrecke. Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutzdienst 10 (1): 7.
  • Bellmann, H. 2006: Der Kosmos Heuschreckenführer. Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. – Franckh-Kosmos, Stuttgart.
  • Börner, J., K. Richter, M. Schneider & S. Straube 1994: Rote Liste Heuschrecken. – Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie. Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege, Radebeul. 12 S.
  • Groll, E. & K. K. Günther 2003: Ordnung Saltatoria (Orthoptera), Heuschrecken, Springschrecken. S. 261–290. – In: H. H. Dathe, 5. Teil: Insecta. – In: A. Kaestner, Lehrbuch der Speziellen Zoologie Band I (5. Teil). – Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg & Berlin.
  • Klaus, D. & D. Matzke 2010: Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer. Rote Liste und Artenliste Sachsens. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. 36 S.
  • Linnaeus, C. 1758: Systema naturae per regna tria naturae, secundum classes, ordines, genera, species, cum characteribus, differentiis, synonymis, locis. – Laurentii Salvii, Holmiae. 1–824.
  • Maas, S., P. Detzel & A. Staudt 2012. Rote Liste und Gesamtartenliste der Heuschrecken (Saltatoria). S. 577–606. – In: In: M. Binot-Hafke, S. Balzer, N. Becker, H. Gruttke, H. Haupt, N. Hofbauer, G. Ludwig, G. Matzke-Hajek & M. Strauch, Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz, Bonn - Bad Godesberg.
  • Roesti, C. & B. Keist 2009: Die Stimmen der Heuschrecken mit DVD. – Haupt Verlag, Bern
  • Schlumprecht, H. & G. Waeber 2003: Heuschrecken in Bayern. – Eugen Ulmer, Stuttgart.
  • Uvarov, B. P. 1921: A revision of Locusta, L. (= Pachytylus, Fieb.), with a new theory as to the periodicity and migrations of locusts. – Bulletin of Entomological Research 12: 135–163.
  • Weidner, H. 1986: Die Wanderwege der Europäischen Wanderheuschrecke, Locusta migratoria migratoria Linnaeus, 1758 in Europa im Jahre 1693 (Saltatoria, Acridiidae, Oedipodinae). – Anzeiger für Schädlingskunde, Pflanzenschutz, Umweltschutz 59: 41–51.

Links

Autor(-en): Tommy Kästner, Matthias Nuß, Charlotte Kricke. Letzte Änderung am 01.02.2023

Wanderform der Europäischen Wanderheuschrecke im Freiland in Kalabrien, Italien. Deutlich zu erkennen sind die sehr langen Vorderflügel und die braune Körperfärbung.
(© Tommy Kästner)


Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) im Park Monte Orlando in Gaeta, 17.10.2019
(© Andrea Oertel)


"Schwarm der Wanderheuschrecke". Aus: Taschenberg 1884, Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. – Brehms Thierleben, 9. Band. – Leipzig.
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