Nomenklatur
Die Große Drüsenameise wurde zunächst unter dem Namen Tapinoma nigerrimum (Nylander, 1856) für Deutschland gemeldet (Heller 2011). Seifert et al. (2017) zeigten, dass sich unter diesem Namen vier Arten verbargen, neben T. nigerrimum auch Tapinoma ibericum Santschi, 1925, T. darioi Seifert et al. 2017 und T. magnum, von denen nur T. magnum in Deutschland etabliert ist (Seifert et al. 2024).
Merkmale
Verbreitung
Diese wahrscheinlich aus Nordwestafrika stammende Art wurde mit Topfpflanzen durch den Menschen verschleppt. Da Topfpflanzen auch schon zur Zeit des Römischen Reiches gehandelt wurden, ist das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Großen Drüsenameise schwer zu rekonstruieren. 1861 wurde die Art von Mayr aus Pisa wissenschaftlich beschrieben und sie ist historisch auch aus Spanien, Südostfrankreich, Korsika und Sizilien bekannt, wo sie aber zum Teil sehr selten ist (Lenoir & Galkowski 2017; Seifert et al. 2024).
Die Besiedlung Westfrankreichs, Mitteleuropas und Griechenlands ist ein Prozess, der etwa 1990 begann (Lenoir & Galkowski 2017; Seifert et al. 2024; GBIF). 2008 wurde die Art erstmals in Slowenien (Bračko 2019) und Westfrankreich nachgewiesen (Lenoir & Galkowski 2017), 2009 in Deutschland (Heller 2011), 2012 in der Schweiz (Freitag & Cherix 2019), 2014 in Belgien (Dekoninck et al. 2015), 2016 in den Niederlanden (Seifert et al. 2017) und 2022 in Griechenland (Borowiec et al. 2022).
Lebensweise
Die Große Drüsenameise legt ihre Nester im Boden bis zu einer Tiefe von einem Meter an. Ein Nest kann bis zu 350 Königinnen enthalten (polygyn) und mehrere Nester können miteinander verbunden sein (polydom), zwischen denen Brut permanent ausgetauscht wird. So kann eine Superkolonie mit mehreren Millionen Arbeiterinnen auf einer Fläche von einem Hektar und mehr entstehen (Seifert 2018). Freitag & Cherix (2019) berichten aus der Schweiz von einer Superkolonie, die eine Fläche von 2,5 ha einnimmt. Nesteingänge entwickeln sich typischerweise zu großen, kraterartigen Kuppeln aus ausgeworfenen Bodenpartikeln (Seifert 2018).
Geflügelte treten in Deutschland von Anfang April bis Ende Juni sowie im August und September auf, Schwarmzeit ist im Mai und Juni (Seifert 2018). Ihre thermische Nische liegt in den Regionen, in denen sie eingeführt worden ist, 3,5°C niedriger als in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet (Bujan et al. 2021). Die Arbeiterinnen sind im späten Dezember noch bei Temperaturen von 3°C (bewölkte Tage) bis -2°C (sonnige Tage) aktiv und werden nach der Schneeschmelze bei mittleren Tagestemperaturen von 10,6°C bzw. maximalen Temperaturen von 6,5°C (sonnige Tage) bis 12,2°C (bewölkte Tage) aktiv (Seifert 2018). Eine starke intraspezifische Aggressivität zwischen polydomen Kolonien von T. magnum in Gartencentern in Deutschland lässt auf wiederholte Einführungen am selben Standort schließen. Künstlich isolierte Koloniefragmente entwickelten bereits sechs Monate nach der Trennung eine signifikante Aggression zwischen ehemaligen Nestgenossen (Seifert 2018).
In einer Analdrüse produziert die Große Drüsenameise ein Gift, das wahrscheinlich für alle Ameisenarten giftig ist (Habermehl 1976). Sie ist in Konkurrenz zur Argentinischen Heeresameise (Linepithema humile) sehr dominant, gewinnt die Kämpfe mit dieser Art, dringt in ihre Nester ein und ist effektiver beim Einsammeln von Nahrung, so dass sie die Ausbreitung dieser ebenfalls gebietsfremden Art hemmen kann (Blight et al. 2010). Umgekehrt könnte die Seltenheit von T. magnum in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in Spanien und an der französischen Mittelmeerküste auf die Konkurrenz durch T. ibericum und T. darioi zurückzuführen sein (Seifert et al. 2024). In Bordeaux beobachteten Lenoir & Galkowski (2017), dass sich eine Kolonie von T. magnum zwischen 2008 und 2017 nicht weiter ausbreitete, vermutlich, weil anwesende einheimische Ameisenarten wie die Rotbärtige Sklavenameise (Formica rufibarbis), Tetramorium immigrans und Schwarzgraue Wegameise (Lasius niger) die Ausbreitung begrenzen. In der Schweiz überlebt die Schwarzgraue Wegameise in hohen Dichten in Gebieten mit Befall durch die Große Drüsenameise, zeigt aber eine angepasste Strategie bei der Nahrungssuche in bestimmten mikroklimatischen Nischen. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht es, invasiven Konkurrenten lokal auszuweichen oder sie zu verdrängen. Ein besseres Verständnis der Auswirkungen mikroökologischer Heterogenität auf das Überleben einheimischer Arten in Befallsgebieten könnte dazu beitragen, die negativen Auswirkungen biologischer Invasionen vorherzusagen und lokal zu mildern (Gippet et al. 2022).
Jowers et al. (2025) berichten über eine Feldbeobachtung, bei der mehrere Tapinoma-Arbeiterinnen eine große Camponotus-Arbeiterin mehrere Stunden lang festhielten, ohne sie offenbar zu verletzen. Die Tapinoma-Arbeiterinnen verwendeten Werkzeuge (Steine), die unter die Camponotus-Arbeiterin gelegt wurden, und nutzten diese scheinbar als Anker, an denen sie sich festhielten, um die ergriffene Ameise festzuhalten. Darüber hinaus hefteten sich Tapinoma-Arbeiterinnen am Kopf der Camponotus-Ameise fest, was diese vorübergehend zu erblinden schien und die Nutzung ihrer Mandibeln einschränkte. Dieses Verhalten bei Ameisen deutet auf ein kognitives Verständnis ihrer Umwelt und eine soziale Anpassung der Kolonie hin.
Lebensräume
In Mitteleuropa vor allem in städtischen und vorstädtischen, von menschlichen Einflüssen geprägten Lebensräumen wie Wohnviertel, Hausgärten, Friedhöfen, Parkplätzen und Industriebrachen, manchmal auch in Weinbergen sowie im Inneren von Gebäuden; es werden sandige Böden mit geringer Baumabdeckung bevorzugt, selten auf felsigem Untergrund (Seifert 2018; Freitag & Cherix 2019; Centanni et al. 2022).
Bestandssituation
Die Große Drüsenameise wurde in Deutschland mit Topfpflanzen aus dem Mittelmeerraum eingeführt und ist seit dem Jahr 2009 aus Edesheim, Ingelheim und Neustadt an der Weinstraße, alle drei Orte in Rheinland-Pfalz, seit 2018 aus Baden-Württemberg und seit 2020 aus Hessen bekannt (Heller 2011; Seifert et al. 2017; Seifert 2018; Heller & Bretz 2020). Die Große Drüsenameise ist in Deutschland ein etabliertes Neozoon und eine potentiell invasive Art (Seifert 2012; Rabitsch & Nehring 2023).
Literatur
- Bračko, G. 2019: Two invasive ant species, Lasius neglectus Van Loon et al., 1990 and Tapinoma magnum Mayr, 1861 (Hymenoptera: Formicidae), living in close proximity in coastal Slovenia. – Natura Sloveniae 21 (2): 25–28.
- Blight, O., E. Provost, M. Renucci, A. Tirard & J. Orgeas 2010: A native ant armed to limit the spread of the Argentine ant. – Biological Invasions 12: 3785–3793.
- Borowiec, L., C. Lebas & S. Salata 2022: Notes on ants (Hymenoptera: Formicidae) from three northern Aegean islands – Lemnos, Samothraki and Thasos. – Annals of the Upper Silesian Museum in Bytom, Entomology 31: 1–14.
- Bujan, J., E. Charavel, O. K. Bates, J. M. W. Gippet, H. Darras, C. Lebas & C. Bertelsmeier 2021: Increased acclimation ability accompanies a thermal niche shift of a recent invasion. – Journal of Animal Ecology 90: 483–491.
- Centanni, J., B. Kaufmann, R. Blatrix, O. Blight, A. Dumet, P. Jay-Robert & A. Vergnes 2022: High resolution mapping in Southern France reveals that distributions of supercolonial and monodomous species in the Tapinoma nigerrimum complex (Hymenoptera: Formicidae) are related to sensitivity to urbanization. – Myrmecological News 32: 41–50.
- Dekoninck, W., T. Parmentier & B. Seifert 2015: First records of a supercolonial species of the Tapinoma nigerrimum complex in Belgium (Hymenoptera: Formicidae). – Bulletin de la Société royale d'entomologie de Belgique 151: 206–209.
- Freitag, A. & D. Cherix 2019: Tapinoma magnum Mayr, 1861, une nouvelle espèce de fourmi introduite en Suisse (Hymenoptera, Formicidae). – Entomo Helvetica 12: 99–110.
- Gippet, J. M. W., L. George & C. Bertelsmeier 2022: Local coexistence of native and invasive ant species is associated with micro-spatial shifts in foraging activity. – Biological Invasions 24: 761–773.
- Habermehl, G. 1976: Gifttiere und ihre Waffen. – Springer, 126 S.
- Heller, G. 2011: Pheidole pallidula (Nylander, 1849) und Tapinoma nigerrimum (Nylander, 1856) (Hymenoptera: Formicidae), etablierte Neozoa in Rheinland-Pfalz. – Mainzer naturwissenschaftliches Archiv 48: 273–281.
- Heller, G. & D. Bretz 2020: Erstnachweis der mediterranen Ameisenart Pheidole pallidula (Nylander 1849) für Hessen. – Jahrbuch Naturschutz in Hessen 19: 14–18.
- Jowers, M. J., G. Moreno-Rueda, C. Sanchéz-García & F. Casas 2025: Novel tool use in Tapinoma sp. ants (Hymenoptera: Formicidae). – Annales de la Société entomologique de France (N.S.)
- Freitag, A. & D. Cherix 2019: Tapinoma magnum Mayr, 1861, une nouvelle espèce de fourmi introduite en Suisse (Hymenoptera, Formicidae). – Entomo Helevetica 12: 99 – 110.
- Lenoir, A. & C. Galkowski 2017: Sur la présence d’une fourmi envahissante (Tapinoma magnum) dans le Sud-Ouest de la France. – Bulletin de la Société linnéenne de Bordeaux 152, n. s. 45 (4): 449–453.
- Mayr, G. 1861: Die europäischen Formiciden. Nach der analytischen Methode bearbeitet. – C. Gerolds Sohn, Wien. 80 S.
- Rabitsch, W. & S. Nehring 2023: Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde terrestrische Wirbellose Tiere Teil 2: Insecta (Band 1). – BfN Schriften 671: 243 S.
- Seifert, B. 2012 ("2011"): Rote Liste und Gesamtartenliste der Ameisen (Hymenoptera: Formicidae) Deutschlands. – In: M. Binot-Hafke, S. Balzer, N. Becker, H. Gruttke, H. Haupt, N. Hofbauer, G. Ludwig, G. Matzke-Hajek & M. Strauch, Rote Liste der gefährdeten Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Bonn (Bundesamt für Naturschutz). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 469–487.
- Seifert, B. 2018: The ants of Central and North Europe. – Lutra, Görlitz & Tauer. 407 S.
- Seifert, B., B. Kaufmann & L. Fraysse 2024: A taxonomic revision of the Palaearctic species of the ant genus Tapinoma Mayr 1861 (Hymenoptera: Formicidae). – Zootaxa 5435 (1): 1–74.
- Seifert, B., D. d'Eustacchio, B. Kaufmann, M. Centorame, P. Lorite & M. V. Modica 2017: Four species within the supercolonial ants of the Tapinoma nigerrimum complex revealed by integrative taxonomy (Hymenoptera: Formicidae). – Myrmecological News 24: 123–144.
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Autor(-en): Anonym, Matthias Nuß. Letzte Änderung am 14.04.2025