Jakobskrautbär (Tyria jacobaeae (Linnaeus, 1758))

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Diagnose

Kopf, Thorax, Beine und Hinterleib schwarz. Vorderflügel anthrazit, mit einer unregelmäßigen zinnoberroten Linie vor dem Vorderrand und zwei großen, ebenso zinnoberroten Punkten vor dem Außenrand. Hinterflügel zinnoberroten, Fransen anthrazit.

Die Art ist unverwechselbar.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Rote Liste Deutschland: ungefährdet

Merkmale

Die Larve ist zunächst dunkelgelb mit schwarzen Spinacula, später jedes Segment vorn schwarz und hinten dunkelgelb, so dass die Larve schwarz-gelb geringelt ist. In den schwarzen Bereichen befinden sich schwarz glänzende Spinacula, auf denen die langen, haarförmigen Borsten sitzen. Die auffällige Färbung der Larven signalisiert potenziellen Fressfeinden ihre Ungenießbarkeit (Aposematismus), allerdings sind die Larven für Räuber nur aus der Nähe deutlich zu erkennen und bei größerer Entfernung gut getarnt (Barnett et al. 2018).

Verbreitung

Von Island, Irland, Großbritannien, dem Süden Skandinaviens und Finnlands südlich bis zu den Kanarischen Inseln, den Balearen, Sardinien, Sizilien und Peloponnes sowie in der Türkei und östlich in Russland bis in die Altai-Region (GBIF; PESI; Sinev 2019).

Die Art wurde in Nordamerika (Frick & Holloway 1964; Harris et al. 1977; Brown 1988; James et al. 1992; Markin & Littlefield 2008; Crider 2011), Australien (McLaren et al. 2000) und Neuseeland (Beban 1991; Matthews et al. 2023) zur biologischen Regulierung des dort invasiven Jakobskrauts eingeführt.

Lebensweise

Die Falter fliegen von Anfang Mai bis Mitte Juli. Die Larven fressen von Mitte Juni bis Mitte August an Jakobskraut (Senecio jacobaea = Jacobaea vulgaris), Huflattich (Tussilago farfara), Spatelblättrigem Aschenkraut (Tephroseris helenitis) und an Pestwurzarten (Petasites spp.), die alle zu den Senecioneae (Asteraceae) gehören, wobei Senecio jacobaea die wohl wichtigste (Tinney et al. 1998) und für diese Schmetterlingsart auch namensgebende Pflanzenart ist.

Am Jakobskraut fressen die Larven vor allem an den Blütenständen, jungen Fruchtständen und Blättern. Ist eine Pflanze kahl gefressen, können die Larven auf eine benachbarte Pflanzen wechseln. Im August verlassen sie die Nahrungspflanzen und verpuppen sich am oder im Boden, wo sie überwintern.

Die Larven des Jakobskrautbärs können in so großer Anzahl auftreten, dass die Jakobskrautbestände vollständig entlaubt werden. Der eintretende Nahrungsmangel führt dann zu einer erhöhten Mortalität bei den noch nicht ausgewachsenen Larven sowie im Folgejahr zu kleineren Jakobskrautpflanzen und einer noch höheren Larvenmortalität. Eine zusätzliche Mortalität bei ausgewachsenen Larven wird durch die Brackwespe Protapanteles popularis verursacht (Dempster 1971). Die Pflanzen überstehen periodischen Kahlfraß durch die Larven des Jakobskrautbärs mit geringen oder keinen Auswirkungen auf ihren Bestand (Dempster 1982).

Die Schwarzgraue Wegameise (Lasius niger) verteidigt Jakobskraut-Pflanzen, die mit der Blattlaus Aphis jacobaeae befallen sind, effektiv gegen Larven des Jakobskrautbärs. Jakobskraut-Pflanzen mit A. jacobaeae, die von Ameisen verteidigt werden, entgehen dem regelmäßigen Kahlfraß durch den Jakobskrautbär (Vrieling et al. 1991).

Die Larven des Jakobskrautbärs nehmen die von der Pflanze produzierten giftigen Alkaloide auf und speichern diese als Abwehr gegen Fressfeinde. Die Alkaloide sind auch in den Puppen und Faltern nachweisbar (Ehmke et al. 1990; Moore et al. 1990; Macel et al. 2002) und ihr Gehalt in den Blättern der Larvennahrungspflanze ist ein wichtiges Stimulans bei der Eiablage (Macel & Vrieling 2003). 

Lebensräume

Hochstaudenfluren gut besonnter Standorte mit Jakobskraut-Gesellschaften auf trockenen und feuchten Wiesen, in gebüschreichem Offenland, an Wegrändern, Böschungen und auf Ruderalflächen (Bergmann 1953; Steiner et al. 2014). 

Bestandssituation

Der Jakobskrautbär unterliegt langfristigen Häufigkeitsschwankungen (Bergmann 1953; Sbieschne et al. 2010; Kassebeer 2015) und profitiert in Deutschland seit dem Jahr 2000 von den starken Bestandszunahmen seiner Larvennahrungspflanze, dem Jakobskraut (Schwarz et al. 2021). Aufgrund der Giftigkeit des Jakobskrauts für Weidetiere untersuchten Schwarz et al. (2021) die Möglichkeiten zur Nutzung des Jakobskrautbärs und weiterer Arten zur biologischen Regulierung des Jakobskrauts in Deutschland und berichten ausführlich über ihre praktische Erfahrungen.

In der Oberlausitz war der Jakobskrautbär in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lokal häufig, wurde von 1976 bis 2003 nicht nachgewiesen und danach wieder häufiger (Sbieschne et al. 2010).

In Nordamerika, Australien und Neuseeland wurde der Jakobskrautbär zur biologischen Regulierung des dort invasiven Jakobskrauts ausgesetzt.
In Kanada wurde der Jakobskrautbär erstmalig 1955 ausgesetzt, etablierte sich im Westen und Osten des Landes, führte aber nur im Osten zu gewünschten Reduktionen der Jabobskrautbestände (Harris et al. 1977). In den westlichen USA wurde der Jakobskrautbär erstmalig 1959 ausgesetzt, gilt dort als etabliert (Frick & Holloway 1964), nutzt auch die einheimische Senecio triangularis (Brown 1988) und konnte die hohen Bestandsdichten des Jakobskrauts zwar reduzieren, aber dessen weitere Ausbreitung nicht verhindern (Markin & Littlefield 2008).
In Australien wurden zwischen 1930 und 1983 sowie erneut ab 1995 zahlreiche Versuche unternommen, den Jakobskrautbär zur biologischen Regulierung des Jakobskrauts auszusetzen, aber es gibt bislang keine Evidenz, dass sich diese Schmetterlingsart dort etabliert hat (McLaren 2000). 
In Neuseeland wurde der Jakobskrautbär erstmalig 1929 ausgesetzt, hat sich erfolgreich etabliert, lebt dort auch auf einheimischen Senecio-Arten (Matthews et al. 2023), erzielt aber nicht die gewünschten Effekte zur Reduktion des Jabobskrauts (Beban 1991).

Literatur

  • Barnett, J. B., I. C. Cuthill & N. E. Scott-Samuel 2018: Distance-dependent aposematism and camouflage in the cinnabar moth caterpillar (Tyria jacobaeae, Erebidae). – Royal Society Open Science 5 (2): 171396.
  • Beban, W. G. 1991: Aspects of the ecology of Tyria jacobaeae (L.): a defoliator of ragwart in New Zealand. – Master thesis at Massey University.
  • Brown, R. E. 1988: Biological control of tansy ragwort (Senecio jacobaea) in western Oregon, U.S.A., 1975–1987. – Proceedings of the VII. International Symposium on Biological Control of Weeds, 6–11 March 1988, Rome, Italy: 299–305.
  • Crider, K. K. 2011: Predator interference with the cinnabar moth (Tyria jacobaeae) for the biological control of tansy ragwort (Senecio jacobaea). – Invasive Plant Science and Management 4 (3): 332–340.
  • Dempster, J. P. 1971: The population ecology of the Cinnabar Moth, Tyria jacobaeae L. (Lepidoptera, Arctiidae). – Oecologia 7: 26–67.
  • Dempster, J. P. 1982: The ecology of the cinnabar moth, Tyria jacobaeae L. (Lepidoptera: Arctiidae). – Advances in Ecological Research 12: 1–36.
  • Ehmke, A., L. Witte, A. Biller & T. Hartmann 1990: Sequestration, N-oxidation and transformation of plant pyrrolizidine alkaloids by the arctiid moth Tyria jacobaeae L. – Zeitschrift für Naturforschung C 45 (11–12): 1185–1192.
  • Frick, K. E. & J. K. Holloway 1964: Establishment of the Cinnabar Moth, Tyria jacobaeae, on tansy ragwort in the Western United States. – Journal of Economic Entomology 57 (1): 152–154.
  • Harris, P., A. T. S. Wilkinson, L. S. Thompson & M. Neary 1977: Interaction between the cinnabar moth, Tyria jacobaeae L. (Lep.: Arctiidae) and ragwort, Senecio jacobaea L. (Compositae) in Canada. – Proceedings of the IV International Symposium on Biological Control of Weeds: 174–180.
  • James, R. R., P. B. McEvoy & C. S. Cox 1992: Combining the cinnabar moth (Tyria jacobaeae) and the ragwort flea beetle (Longitarsus jacobaeae) for control of ragwort (Senecio jacobaea): an experimental analysis. – Journal of Applied Ecology 29 (3): 589–596.
  • Kassebeer, C. 2015: Erfassung phytophager Insekten an Jakobs-Kreuzkraut in Schleswig-Holstein. – Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume Schleswig-Holstein, Flintbek. 103 S.
  • Macel, M., P. G. Klinkhamer, K. Vrieling & E. van der Meijden 2002: Diversity of pyrrolizidine alkaloids in Senecio species does not affect the specialist herbivore Tyria jacobaeae. – Oecologia 133 (4): 541–550.
  • Macel, M. & K. Vrieling 2003: Pyrrolizidine alkaloids as oviposition stimulants for the cinnabar moth, Tyria jacobaeae. – Journal of Chemical Ecology 29 (6): 1435–1446.
  • Markin, G. P. & J. L. Littlefield 2008: Biological control of tansy ragwort (Senecio jacobaeae, L.) by the cinnabar moth, Tyria jacobaeae (CL) (Lepidoptera: Arctiidae), in the northern Rocky Mountains. – XII International Symposium on Biological Control of Weeds, La Grande Motte, France, 22–27 April 2007: 583–588.
  • Matthews, J. K., D. L. Fraser & P. J. de Lange 2023: Biological control of weeds in Aotearoa / New Zealand: History, science and achievements to date. – Perspectives in biosecurity 8: 10–32.
  • McLaren, D. A., J. E. Ireson & R. M. Kwong 2000: Biological Control of Ragwort (Senecio jacobaea L.) in Australia. – Proceedings of the X International Symposium on Biological Control of Weeds, 4–14 July 1999, Montana State University, Bozeman, Montana, USA: 67–69.
  • Moore, B. P., W. V. Brown & M. Rothschild 1990: Methylalkylpyrazines in aposematic insects, their hostplants and mimics. – Chemoecology 1 (2): 43–51.
  • Sbieschne, H., D. Stöckel, T. Sobczyk, S. Wauer & M. Trampenau 2010: Hepialidae, Psychidae, Limacodidae, Zygaenidae, Sesiidae, Cossidae, Lasiocampidae, Endromidae, Saturniidae, Lemoniidae, Sphingidae, Drepanidae, Notodontidae, Pantheidae, Lymantriidae, Nolidae, Arctiidae. - Die Schmetterlingsfauna (Lepidoptera) der Oberlausitz, Teil 1. - Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 13: 178 S.
  • Schwarz, K., T. Diekötter, J. Herrmann & T. W. Donath 2021: Regulierung von Massenvorkommen des Jakobs-Greiskrautes (Senecio jacobaea L.) durch natürliche Antagonisten. Abschlussbericht. Gefördert unter dem AZ 33297/01 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. 73 S.
  • Sinev, S. Ju. 2019: Catalogue of the Lepidoptera of Russia. – Zoological Institute, St. Petersburg. 448 S.
  • Steiner, A., U. Ratzel, M. Top-Jensen & M. Fibiger 2014: Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – BugBook Publishing, 878 S.
  • Tinney, G. W., P. E. Hatcher, P. G. Ayres, N. D. Paul & J. B. Whittaker 1998: Inter- and intra- species differences in plants as hosts to Tyria jacobaeae. – Entomologia Experimentalis et Applicata 88: 137–145.
  • Vrieling, K., W. Smit & E. van der Meijden 1991: Tritrophic interactions between aphids (Aphis jacobaeae Schrank), ant species, Tyria jacobaeae L., and Senecio jacobaea L. lead to maintenance of genetic variation in pyrrolizidine alkaloid concentration. – Oecologia 86: 177–182.

Links

Autor(-en): Matthias Nuß. Letzte Änderung am 30.03.2025

Am 22.05.2012 vormittags sah ich am Glashütter Busbahnhof mehrere Blutbären. Offenbar waren es Weibchen, die ihre Eier an Jakobskraut anhefteten.
(© Stefan Höhnel)


Blutbär, Hochhalde Trages bei Espenhain, Anfang Juni 2017
(© Bernd Garbe)


Blutbärraupen am 03.07.2017 in Glashütte auf Jakobskraut an der Müglitz
(© Stefan Höhnel)


Larve des Jakobskrautbärs. Plauen / Vogtland, 10.07.2021
(© Steffen Hintersaß)


Larven des Blutbärs am 20.06.2019 in Glashütte
(© Stefan Höhnel)


Larven des Blutbärs an Jakobskraut. Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle bei Angermünde, Juli 2019
(© Bernd Garbe)
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