Fangschrecken (Mantodea)

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Diagnose

Merkmale

Körperlänge: meist 25–70 mm; kleinste Arten sind die südamerikanische Mantoidea tenuis und die in Sri Lanka vorkommende Micromantis glauca mit 10–12 mm; größte Art ist die afrikanische Ischnomantis gigas mit 145 mm (Männchen) bis 170 mm (Weibchen).

Kopf: dreieckig, gut beweglich, mit großen Komplexaugen; Fühler höchstens so lang wie der Körper; beißend-kauende Mundwerkzeuge, orthognath.

Thorax: Prothorax schmal, stark verlängert; Meso- und Metathorax miteinander verschmolzen. Vorderflügel meist etwas verhärtet (Tegmina), bei allen Arten bilden im Geäder der hintere Radius (RP) und der mittleren Radius (M) einen gemeinsamen Stiel und bei den meisten Arten ist der vordere Ast von RP + M mit dem vorderen Radius (RA) verschmolzen (Bethoux & Wieland 2009); Hinterflügel mit großem, meist gefaltetem Analfeld; Flügel aber oft reduziert. Vorderbeine sind Fangbeine, Coxa verlängert, Femora und Tibia ventral bedornt. Der Vorderbeinschlag einer Gottesanbeterin erreicht eine durchschnittliche Maximalgeschwindigkeit von 0,746 m/s, mit einer durchschnittlichen Beschleunigung von 60,7 m/s2 erreichen (Unsworth et al. 2019). Mittel- und Hinterbeine sind Schreitbeine. Einige Arten mit Gehörorgan ventral zwischen den Beinen des Metathorax (Yager & Svenson 2008).

Hinterleib: aus 10 deutlich sichtbaren Segmenten und einem rudimentären Tergit 11 (Epiproct) bestehend; ein Paar vielgliedrige Cerci am Hinterrand von Tergit 10.

Eier: Die Eiablage erfolgt in Eipaketen (Ootheken), in denen die Eier von Drüsensekreten umgeben sind, die an der Luft aushärten. Durch das ausgehärtete Sekret sind die Eier vor Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen geschützt. In der Oothek geschützte Eier von Mantis religiosa überdauerten im Experiment -43°C und 5 Minuten in kochendem Wasser.

Verbreitung und Diversität

Weltweit 2.494 Arten in den Tropen und Subtropen (Wieland & Svenson 2018). Größte Artenvielfalt in Afrika südlich der Sahara (Äthiopis). In Europa 23 Arten, davon ursprünglich nur Mantis religiosa in Südwestdeutschland. Diese und weitere Arten haben sich jedoch mithilfe des Menschen ausgebreitet und profitieren vom Klimawandel.

Stammesgeschichte und Systematik

Mesoptilus dolloi aus dem späten Karbon von vor 310 Mio. Jahren (Fossillagerstätte Commentry in Frankreich) besitzt die für Mantodea typischen Geädermerkmale im Vorderflügel (Bethoux & Wieland 2009).

Lebensweise

Bei der Partnerfindung spielen Sexualpheromone eine Rolle, welche die Weibchen aus Drüsen im Bereich des 6. oder 7. Hinterleibssegmentes abgeben. Optisch können sich potentielle Partner auf eine Distanz von 50–100 cm wahrnehmen. Nach Sichtkontakt erstarrt das Männchen zunächst, es folgt eine verhaltene Annäherung mit Bewegungen der Vorderbeine und des Hinterleibs, entweder des Männchens oder beider Geschlechter. Das Weibchen signalisiert Paarungsbereitschaft durch vorstrecken der Vorderbeine und Abducken, woraufhin das Männchen sofort aufspringt. Die Paarung kann einige Minuten oder mehrere Stunden dauern. Danach entfernen sich die Männchen schnell. Beide Geschlechter können sich mehrfach paaren. Sexualkannibalismus kann in allen Phasen der Paarung vorkommen, ist in der Natur jedoch selten und wird vor allem unter künstlichen Haltungsbedingen bei beengten Verhältnissen oder Nahrungsmangel beobachtet. Ein Männchen, des Kopf und Prothorax vom Weibchen gefressen wurde, kann noch erfolgreich auf dieses aufsteigen und kopulieren.

Je nach Art legt ein Weibchen in bis zu mehr als 20 Ootheken insgesamt 10–400 Eier ab. Die Weibchen einiger Arten verbleiben auf der Oothek und schützen die Brut bis zum Schlupf vor Parasitoiden.

Der vollentwickelte Embryo ist von einer kutikularen Hülle umgeben und schlüpft mit dieser aus der Oothek, wobei die Embryonalhülle entweder in der Oothek verbleibt oder erst anschließend abgestreift wird. Erst jetzt beginnt das 1. Larvenstadium, welches in der äußeren Gestalt den Adulten bereits ähnlich ist. Nach Aushärten der Kutikula laufen die Tiere auseinander und fangen sofort Beute, wobei sie auch gleichaltrige Artgenossen nicht verschmähen. Die Larven häuten sich je nach Art und Geschlecht 6 bis 10 Mal, ab mittlerem Alter werden Flügel- und äußere Genitalanlagen sichtbar. Verloren gegangene Extremitäten können im Verlauf der nächsten Häutung regeneriert werden. Erst ein bis zwei Wochen nach der Häutung zum Adultstadium sind die Tiere paarungsbereit.

Die Tiere sind je nach Art tag-, dämmerungs- oder nachtaktiv. Nachtaktive Arten werden von künstlichen Lichtquellen angelockt. Viele Arten mit Warnmustern und Schreckverhalten zur Abwehr von Fressfeinden (Vidal-García et al. 2020).

Lebensräume

Gottesanbeterinnen leben in zahlreichen terrestrischen Lebensräumen von Sandwüsten bis Regenwälder und vom Boden bis in die Baumkronen (Wieland & Svenson 2018).

Literatur

  • Bethoux, O. & F. Wieland 2009: Evidence for Carboniferous origin of the order Mantodea (Insecta: Dictyoptera) gained from forewing morphology. – Zoological Journal of the Linnean Society 156 (1): 79–113.
  • Brannoch, K., F. Wieland, J. Rivera, K.-D. Klass, O. Béthoux & G. J. Svenson 2017: Manual of praying mantis morphology, nomenclature, and practices (Insecta, Mantodea). – Zookeys 696: 1–100.
  • Ehrmann, R. 2002: Mantodea: Gottesanbeterinnen der Welt. – Natur und Tier, Münster. 519 S.
  • Klass, K.-D. & R. Ehrmann 2003: Ordnung Mantodea, Fangeschrecken, Gottesanbeterinnen. S. 182–197. – In: H. H. Dathe, Insecta. Lehrbuch der Speziellen Zoologie (2. Aufl.), Band I. Wirbellose Tiere, 5. Teil. – Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg & Berlin.
  • Klaus, D. & D. Matzke 2011 ("2010"): Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer. Rote Liste und Artenliste Sachsens. – Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Freistaat Sachsen. 36 S.
  • Legendre, F., A. Nel, G. J. Svenson, T. Robillard, R. Pellens & P. Grandcolas 2015: Phylogeny of Dictyoptera: dating the origin of cockroaches, praying mantises and termites with molecular data and controlled fossil evidence. – PloS One 10 (7): e0130127.
  • Schwarz, C. & R. Roy 2019: The systematics of Mantodea revisited: an updated classification incorporating multiple data sources (Insecta: Dictyoptera). – Annales de la Société entomologique de France (N.S.) 55 (2): 101–196.
  • Svenson, G. J. & M. F. Whiting 2004: Phylogeny of Mantodea based on molecular data: evolution of a charismatic predator. – Systematic Entomology 29 (3): 359–370.
  • Svenson, G. J. & M. F. Whiting 2009: Reconstructing the origins of praying mantises (Dictyoptera, Mantodea): the roles of Gondwanan vicariance and morphological convergence. – Cladistics 25 (5): 468–514.
  • Unsworth, C. K., W. A. Abuhashim, S. K. Brannoch, G. J. Svenson & H. C. Astley 2019: Biomechanics of the Praying Mantis Foreleg Strike. – Integrative and Comparative Biology 59, Suppl. 1: E235.
  • Vidal-García, M., J. C. O'Hanlon, G. J. Svenson & K. D. L. Umbers 2020: The evolution of startle displays: a case study in praying mantises. – Proceedings of the Royal Society B 287: 20201016.
  • Yager, D. D. & G. J. Svenson 2008: Patterns of praying mantis auditory system evolution based on morphological, molecular, neurophysiological, and behavioural data. – Biological Journal of the Linnean Society 94: 541–568.
  • Wieland, F. 2013: The phylogenetic system of Mantodea (Insecta: Dictyoptera). – Species, Phylogeny and Evolution 3.1: 3–222.
  • Wieland, F. & G. J. Svenson 2018: Biodiversity of Mantodea. S. 389–416. – In: R. G. Foottit &  P. H. Adler, Insect Biodiversity – Science and Society II. Wiley.

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Autor(-en): Matthias Nuß. Letzte Änderung am 20.12.2021
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