Diagnose
Körperlänge 1–2 mm (Min. 0,2 mm, Max. 9 mm).
Kopf: Mundwerkzeuge liegen in einer Kiefertasche verborgen, Außen nur ein Mundkegel sichtbar (Name!). Jedes Antennensegment mit Musekln.
Thorax: Primär flügellose Insekten. 3 Beinpaare, Tibia und Tarsus zum Tibiotarsus verwachsen, Prätarsus mit einer unpaaren Kralle und einem borstenförmigen Empodium.
Abdomen: bis zu 6 Abdominalsegmente, Segment A1 mit Collophor (Ventraltubus), A3 mit Retinaculum zur Befestigung der Furca, A4 mit Furca (Sprunggabel), Hinterleibsende ohne Cerci.
Namensgebung
Springschwänze
Der deutsche Name Springschwänze bezieht sich auf die Fähigkeit der meisten Vertreter dieser Insektenordnung, mithilfe der am Hinterleib befindlichen Sprunggabel (Furca) ein Mehrfaches der eigenen Körperlänge weit nach vorn zu springen.
Collembola Lubbock, 1870
Der wissenschaftliche Name Collembola leitet sich aus dem Griechischen ab: colla Leim und embolon Keil, Zapfen. Der Name bezieht sich auf den bauchseitig am ersten Hinterleibssegment befindlichen Collophor. Der im Deutschen für Collophor gebräuchliche Begriff Ventraltubus ist also keine direkte Übersetzung. Es wurde ursprünglich angenommen, dass sich Collembolen mit dem Ventraltubus an glatten Oberflächen festhalten und fortbewegen können. Wissenschaftlich belegt ist bislang nur, dass dieses Organ der Osmoregulation, Wasseraufnahme und Exkretion dient (Eisenbeis 1982).
Merkmale
Körperlänge 1–2 mm; kleinste Arten 0,1 mm, größte heimische Art mit 9 mm ist Tetrodontophora bielanensis, die weltweit größten Collembolen leben in Australien und werden bis zu 2 cm lang.
Kopf. Antennen inserieren vor den Augen, sind vielgliedrig und jedes Antennensegment besitzt eigene Muskeln. Einfache Komplexaugen aus lose verbundenen, eukonen Ommatidien sowie bis zu 6 Stirnaugen (Ocelli). Mundwerkzeuge kauend-beißend oder stechend-saugend; Mandibeln und Maxillen von einer seitlichen Falte der Kopfkapsel umwachsen, so dass sie in einer Kiefertasche verborgen liegen und Außen nur ein Mundkegel sichtbar ist.
Thorax. Primär flügellos. 3 Beinpaare, Tibia und Tarsus zum Tibiotarsus verwachsen. Prätarsus mit einer unpaaren Kralle, auf der gelaufen wird, sowie einem borstenförmigen Empodium.
Abdomen. Bis zu sechs Abdominalsegmente, Hinterleibsende ohne Cerci. Abdominalsegment 1 mit Collophor (Ventraltubus), der durch Hämolymphdruck ausstülpbar ist und der Wasser- und Ionenaufnahme, der Respiration, der Adhäsion an Oberflächen sowie als Putzapparat dient. A3 mit Retinaculum zur Befestigung der Furca. A4 mit Furca (Sprunggabel), welche mit einer eigenen Sprungmuskulatur
versehen ist. Die Furca ist dreigliedrig und besteht aus dem unpaaren Basalteil (Manubrium)
und den paarigen Dentes und Mucrones. A5 ventral mit unpaarem Gonoporus. A6 mit Afteröffnung. Malpighische Gefäße fehlen.
Integument. Die Körperoberfläche ist durch winzige, warzenförmige und wabenartige Nanostrukturen unbenetzbar (Paulus 1971; Helbig et al. 2011; Nickerl et al. 2013). Die Kutikula ist nur wenig sklerotisiert. Stigmen und Tracheen sind selten vorhanden. Die Atmung erfolgt passiv an wenig verfestigten Stellen mit guter Hämolymphversorgung durch Diffusion; dies bedeutet zugleich eine Restriktion für die erreichbare Körpergröße. Euedaphische Arten meist hell gefärbt und mit reduziertem Sprungapparat; epedaphische Arten häufig mit dunklen Zeichnungen auf hellem Grund; physiologischer Farbwechsel ist bei einigen Arten nachgewiesen.

Die Riesencollembole (Tetrodontophora bielanensis) Der Dunkelbraune Kugelspringer (Allacma fusca)
ist mit 7-8 mm Körperlänge die größte europäische Dresdner Heide, September 2013 (Foto: F. Bauer).
Collembolenart (Foto: M. Nuß).
Stammesgeschichte und Systematik
Collembola sind die ältesten Vertreter der Hexapoda. Fossilien dieser Gruppe sind bereits aus dem Devon – vor 395 Millionen Jahren – bekannt (Engel & Grimaldi 2004). Damit gehören sie zugleich zu den ältesten bekannten Landtieren.
Die Collembola sind Schwestergruppe zu den Diplura + Protura, gemeinsam bilden diese drei Gruppen die Entognatha. Wesentliche Großgruppen der Collembola sind die Poduromorpha, Entomobryomorpha, Symphypleona und Neelipleona (Gao et al. 2008; Xiong et al. 2008; Reumont et al. 2009; Schneider et al. 2011; Leo et al. 2019; Cucini et al. 2021).
Verbreitung und Diversität
Collembola kommen weltweit vor, auch in arktischen und antarktischen Lebensräumen, soweit diese terrestrisch sind. Einige Arten sind kosmopolitisch verbreitet. Weltweit kennt man etwa 7.500 Arten, von denen 416 Arten in Deutschland vorkommen (Schulz et al. 2003).
Lebensweise
Die postembryonale Entwicklung erfolgt ohne Ausbildung von Larvalmerkmalen. Vor dem Erreichen der Geschlechtsreife (Präadultphase) erfolgt das Größenwachstum mit 6–14 Häutungen (Anzahl kann zwischen Individuen derselben Population schwanken); danach bis zu 50 weitere Häutungen.
Bei der Paarung setzen die Männchen das Sperma als Tröpfchen auf einem Stiel ab, von dem es von den Weibchen aktiv in den Gonoporus aufgenommen wird.
Collembola bevorzugen meist Umgebungen mit hoher Luftfeuchte. Sie leben euedaphisch (im Boden unterhalb der Streuschicht), epedaphisch (auf dem Boden oder in der Streuschicht), auf Pflanzenoberflächen, auf dem Wasser oder in den Nestern von Ameisen und Termiten. In Wiesen- und Waldböden mit starker Streuauflage können
100.000 und mehr Individuen von bis zu 100 Arten pro Quadratmeter vorkommen.
Die meisten Arten ernähren sich von zerfallenden pflanzlichen Stoffen, Exkrementen oder Aas und tragen so zur Humusbildung bei. Einige wenige Arten fressen als Nahrungsspezialisten Algen, Pilze, Pollen oder Mikroorganismen.
Literatur
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Links
- AJC Springtails. Springtails of Leicestershire and Rutland. https://collembolla.blogspot.com
- Bellinger, P. F., K. A. Christiansen & F. Janssens 1996–2014: Checklist of the Collembola of the World.
- Collembola in Andy Murray's A chaos of delight
- Collembola in Wikipedia (deutsch)
-
Collembola in Wikipedia (englisch)
- Fotoschlüssel für 50 niederländische Springschwanzarten
- Xylander, W., J. Russell, J. Vorwald, H. Höfer, J. Römbke, A. Franzke, S. Lesch, S. Rick, A. Schaffhirt, A. Christian, E. Wurst, K. Hohberg, C. Trog, H.-J. Schulz, U. Burkhardt, K. Voigtländer, P. Decker, F. Horak, S. Jänsch, R. Schmelz, M. Döhler, K. Franke, E. Engemaier, A. König, H. Jechorek, B. Balkenhol, J. Müller, J. Noe, M. Wiesenhütter, T. Stierhof & R. Schmelz 2009-2013: Edaphobase. – http://portal.edaphobase.org
Autor(-en): Matthias Nuß. Letzte Änderung am 07.01.2025
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