Kleiner Ohrwurm (Labia minor (Linnaeus, 1758))

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körperlänge (inklusive Zangen) 6–8 mm.

Kopf: schwarzbraun, Fühler 12-gliedrig, braun, Spitzen weiß.

Thorax: dunkelbraun, Beine gelbbraun, beide Geschlechter mit gut ausgebildeten Hinterflügeln, die unter den kurzen Vorderflügeln eingefaltet sein.

Hinterleib: dunkelbraun, am Ende braun. Zangen des Männchens leicht gebogen und Innenrand gezähnt, des Weibchens gerade.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Nomenklatur

Forficula minor Linnaeus, 1758
Forficula livida Zschach, 1788
Labia minuta Scudder, 1876

Merkmale

Eier: weißlich opaque, Größe zunächst 0,6 x 0,8 mm, vor dem Schlupf der L1-Larve 0,8 x 1,0 mm.

Larven: Körperfarbe: graubräunlich-hellbräunlichen.
L1: 8 Fühlerglieder, 2,5–3 mm (Körperlänge mit Zange)
L2: 10 Fühlerglieder, 4,1–4,3 mm (Körperlänge mit Zange)
L3: 11 Fühlerglieder, 4,8–5,1 mm (Körperlänge mit Zange)
L4: 12 Fühlerglieder, 5,2–6 mm (Körperlänge mit Zange), mit deutlichen Flügelansätzen.

Adulte: Eine ausführliche morphologische Beschreibung des Kleinen Ohrwurms wird von Hudson (1973) gegeben. Kleinow (1966) beschreibt den Flügelfaltmechanismus.

Verbreitung

Bekannt aus den temperaten Regionen der nördlichen und südlichen Hemisphären und von zahlreichen Inseln. Nordamerika, Madeira, Europa, Philippinen, Galapagos, Afrika, Australien und Neuseeland (Hudson 1973; Langston & Powell 1975). Die heute fast kosmopolitische Art hatte ursprünglich wahrscheinlich eine geringere Verbreitung, aber weder konnten das ursprüngliche Verbreitungsgebiet noch die Ausbreitungswege bislang rekonstruiert werden.

Lebensweise

Unter Laborbedingungen beträgt die Lebenserwartung eines Weibchens 80 Tage bei 25°C und ein Weibchen legt durchschnittlich 43 Eier in zwei bis drei Gelegen. Die Embryonalentwicklung dauert bei 20°C 12 Tage, bei 32°C 5 Tage. Bei 15°C und 35°C schlüpfen keine Larven. Die Larven entwickeln sich nach 4 Häutungen zur Imago. Diese Entwicklung dauert bei 21°C 43 Tage, bei 25°C 25 Tage und bei 28°C 20 Tage. Die Entwicklung erfolgt während des ganzen Jahres und es können alle Entwicklungsstadien zeitgleich angetroffen werden, auch über den Winter. Unter natürlichen Bedingungen verschimmeln die Eier oder werden von andere Prädatoren gefressen, wenn die Mutter sich nicht um die Eier kümmert. Sie umsorgt die Larven auch in deren ersten drei bis sechs Lebenstagen. Danach bleiben die Larven weitere 6 bis 22 Tage zusammen (Mourier 1986).

Die Adulten sind territorial und es kommt zu Kämpfen, wenn sich verschiedene Individuen treffen. Dabei kommen sowohl die Zangen als auch die Mandibeln zum Einsatz. Kannibalismus ist selten; ihm fallen offensichtlich nur geschwächte Tiere zum Opfer. Beim Paarungsspiel laufen die Männchen mit dem Hinterleibsende nach vorn über den Körper gebogen, umtanzen das Weibchen, greifen es mit den Zangen und zur Kopulation finden die Tiere mit den Hinterleibsenden zusammen, die Köpfe in entgegengesetzte Richtung zeigend. Die Kopulation dauert etwa 30 Minuten. Zur Eiablage baut das Weibchen eine kleine Kammer, welche die ersten zwei Tage vom Männchen verteidigt wird. Dann folgt die Eiablage (Mourier 1986).

Der Kleine Ohrwurm ernährt sich omnivor, u.a. von den Eiern und Larven der Stubenfliege (Musca domestica) (trägt jedoch nicht maßgeblich zur Reduktion individuenreicher Populationen z. B. in Misthaufen bei), toten Insekten und pflanzliche Substanzen (Mourier 1986).

Von Ende Juni bis Ende September fliegen die Adulten nachts ans Licht und beleuchtete Mauern (Meineke 1990).

Lebensräume

Der Kleine Ohrwurm lebt in Deutschland synanthrop in Mist- und Komposthaufen, wo er ganzjährig Bereiche mit Temperaturen von 18–25°C nutzt. Als guter Flieger ist er auch außerhalb seiner Reproduktionshabitate anzutreffen.

Bestandssituation

Obwohl noch gebietsweise verbreitet und ungefährdet, scheint die Art mancherorts im Rückgang zu sein, bedingt durch die Umgestaltung der Viehwirtschaft, das Verschwinden von Stalldunghaufen und Erdsilos sowie durch neuartige Kompostierungsverfahren in Hausgärten. Lokal selten oder fehlend. Sowohl für Sachsen (Klaus & Matzke 2011) als auch für Deutschland (Matzke & Köhler 2012) wurde die Art in der Roten Liste in die Vorwarnliste eingestuft. 

Literatur

  • Harz, K. 1960: Geradflügler oder Orthopteren (Blattodea, Mantodea, Saltatoria, Dermaptera). – In: F. Dahl, Die Tierwelt Deutschlands 46. – G. Fischer Verlag, Jena. 232 S.
  • Hudson, L. 1973: A systematic revision of the New Zealand Dermaptera. – Journal of the Royal Society of New Zealand 3 (2): 219–254.
  • Klaus, D. & D. Matzke 2011 ("2010"): Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer – Rote Liste und Artenliste Sachsens. – Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 36 Seiten.
  • Kleinow, W. 1966: Untersuchungen zum Flügelmechanismus der Dermapteren. – Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 56: 363–416.
  • Langston, R. L. & J. A. Powell 1975: The earwigs of California (Order Dermaptera). – Bulletin of the California Insect Survey 20: 25 S.
  • Meineke, T. 1990: Jahreszeitliche Verteilung der nächtlichen Flugaktivität des Kleinen Ohrwurms, Labia minor L. (Insecta: DermapteraJ, im südlichen Niedersachsen. – Göttinger Naturkundliche Schriften 2: 59–63.
  • Mourier, H. 1986: Notes on the life history of Labia minor (L.) (Dermaptera), predator of housefly eggs and larvae (Diptera, Musca domestica L.). – Entomologiske Meddelelser 53: 143–148.
  • Matzke, D. & G. Köhler 2012 („2011“): Rote Liste und Gesamtartenliste der Ohrwürmer (Dermaptera) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 629–642.

Links

Autor(-en): Danilo Matzke, Matthias Nuß. Letzte Änderung am 24.11.2020

Sammlungsbeleg eines Männchens des Kleinen Ohrwurms. Coll. D. Matzke
(© Danilo Matzke)


Weibchen des Kleinen Ohrwurms am Eigelege.
(© Danilo Matzke)


Weibchen mit geöffneten Flügeln nachts am Licht. Radeberg, September 2016
(© Tilmann Adler)
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