Nashornkäfer (Oryctes nasicornis (Linnaeus, 1758))

DE Deutschland , DE-SN Sachsen Druckansicht

Diagnose

Körper: 20–40 mm lang; walzenförmig; kastanienbraun bis schwarz, glänzend.

Kopf: Männchen mit großem Horn auf der Stirn; Weibchen mit kleinem Hörnchen. 

Thorax: Halsschild des Männchens hoch aufgewölbt und mit einer stumpf dreizähnigen Querleiste, des Weibchens nur vorne eingedrückt; Flügeldecken mit feinen Punktreihen; Unterseite und Beine fuchsrot behaart.

Hinterleib: Pygidium der Männchen einfach gewölbt, fast glatt, der Weibchen in der Mitte mit einer Beule, die mehr oder weniger runzlig punktiert ist.

Bei manchen Männchen sind die sekundären Geschlechtsmerkmale auf Stirn und Halsschild nur rudimentär ausgebildet, sie ähneln dann den Weibchen.

Der Nashornkäfer ist in Deutschland unverwechselbar.

Gesetzlicher Schutz und Rote Liste

Merkmale

Wie auch bei anderen Arten der Riesenkäfer (Dynastidae) tritt bei den Männchen des Nashornkäfers ein intrasexueller Polymorphismus auf. Die Männchen weisen entweder sehr ausgeprägte sekundäre Geschlechtsmerkmale auf, mit einem großen Horn auf der Stirn sowie einem hoch aufgewölbten Halsschild mit einer stumpf dreizähnigen Querleiste, oder aber diese Merkmale sind schwach bis gar nicht entwickelt, so dass solche Individuen den Weibchen ähnlich sind (Emlen & Nijhout 2000; Kijimoto et al. 2013; McCullough et al. 2015; Goczał et al. 2019).

Verbreitung

Von Skandinavien und Finnland (fehlt in Irland und Großbritannien) (PESI) bis Nordafrika, sowie östlich bis Westsibirien und Nordwest-China (Rößner 2012).

Lebensweise

Die Larven (Engerlinge) entwickeln sich über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren und drei Entwicklungsstadien in weichem Mulm abgestorbener Baumstämme, -stubben und -wurzeln, insbesondere von Eichen sowie in der Umgebung des Menschen in Haufen aus Sägemehl, Rindenmulch, Kompost und anderem organischen Material (Rößner 2012). Wärmeentwicklung und die Anwesenheit von Weißfäulepilzen scheinen förderlich für eine Entwicklung der Larven zu sein (Grieß 1937; Hendriks 2007). Das Temperaturoptimum liegt bei 25°C. Die Larven reagieren auf Temperaturschwankungen mit Wechsel des vertikalen Aufenthaltsortes im Substrat, weshalb vorzugsweise große Materialhaufen mit 80 cm Höhe und mehr besiedelt werden (Rößner 2012). 

Die Larven fressen Lignin und Cellulose, die von einer Bakterienflora im Darm unter anaeroben Bedingungen und Freigabe von Methan aufgeschlossen werden (Bayon & Etiévant 1980; Bayon & Mathelin 1980). Eigentliche Proteinquelle für die Larven sind die Mikroorganismen, welche das Lignin und die Zellulose zersetzen (Rössler 1961). Ziganshina et al. (2018) wiesen im Verdauungstrakt der Larven durch genetische Analysen Actinobacteria, Bacteroidetes und Proteobacteria sowie Archaea nach.

Die ausgewachsene Larve kann eine Länge von 12 cm erreichen und verpuppt sich in einem etwa hühnereigroßen Kokon im Substrat (Rößner 2012).

Die adulten Käfer sind dämmerungs- und nachtaktiv. Ihre Hauptaktivitätszeit erstreckt sich von Mai bis August, doch werden sie auch außerhalb dieses Zeitraums im Substrat gefunden. Rößner (2012) interpretiert dies als eine Anpassung an die Bedingungen in der Umwelt des Menschen, die eine Bindung an den ursprünglichen Entwicklungsrhythmus weniger erforderlich macht.

Wie auch bei anderen Arten der Riesenkäfer (Dynastidae) wird bei den verschiedenen Morphotypen der Männchen des Nashornkäfers ein unterschiedliches Paarungsverhalten vermutet (Emlen & Nijhout 2000; Kijimoto et al. 2013; McCullough et al. 2015; Goczał et al. 2019). Untersuchungen und Experimente dazu stehen jedoch noch aus.

Lebensräume

Ursprünglicher Lebensraum sind Urwälder mit alten abgestorbenen Bäumen oder Altästen, in denen sich weicher Mulm gebildet hat. In der Umgebung des Menschen findet der Nashornkäfer Ersatzlebensräume in Haufen aus Sägemehl, Rindenmulch, Kompost und anderem organischen Material (Rößner 2012).  

Bestandssituation

Wo sich der Nashornkäfer noch in Totholz entwickelt, ist er ein Bioindikator für wertvolle Wälder von europäischer Bedeutung. Heute wird er regelmäßig in Komposthaufen von Haus- und Kleingärten sowie in Haufen aus Sägemehl, Holz- und Rindenschredder und anderem organischen Material gefunden. Die anthropogenen Lebensräume unterliegen jedoch einer hohen künstlichen Dynamik und erlauben oft nicht die dreijährige Entwicklung dieser Käferart (Rößner 2012). 

Literatur

  • Bayon, C. & J. Mathelin 1980: Carbohydrate fermentation and by-product absorption studied with labelled cellulose in Oryctes nasicornis larvae (Coleoptera: Scarabaeidae). – Journal of Insect Physiology 26 (12): 833–840.
  • Bayon, C. & P. Etiévant 1980: Methanic fermentation in the digestive tract of a xylophagous insect: Oryctes nasicornis L. larva (Coleoptera; Scarabaeidae). – Experientia 36 (2): 154–155.
  • Emlen, D. J. & H. F. Nijhout 2000: The development and evolution of exaggerated morphologies in insects. – Annual Review of Entomology 45: 661–708.
  • Freude, H., K. W. Harde & G. A. Lohse 1969: Die Käfer Mitteleuropas. Band 8: Teredilia, Heteromera, Lamellicornia – Goecke & Evers Verlag Krefeld. 388 S.
  • Goczał, J., R. Rossa & A. Tofilski 2019: Intersexual and intrasexual patterns of horn size and shape variation in the European rhinoceros beetle: quantifying the shape of weapons. – Biological Journal of the Linnean Society 127 (1): 34–43
  • Hendriks, P. 2007: Ontwikkeling van de neushoornkever, Oryctes nasicornis (Coleoptera: Scarabaeidae), in verschillende soorten organisch materiaal. – Entomologische Berichten 67 (1–2): 53–57.
  • Kijimoto, T., M. Pespeni, O. Beckers & A. P. Moczek 2013: Beetle horns and horned beetles: emerging models in developmental evolution and ecology. – WIREs Developmental Biology 2:405–418.
  • McCullough, E., K. J. Ledger, D. M. O'Brien & D. J. Emlen 2015: Variation in the allometry of exaggerated rhinoceros beetle horns. – Animal Behaviour 109: 133–140.
  • Reitter, E. 1909: Fauna Germanica. Die Käfer des Deutschen Reiches. Band II. 392 S., Taf. 41–80. – Schriften des Deutschen Lehrervereins für Naturkunde 24. – K. G. Lutz Verlag, Stuttgart.
  • Rössler, M. E. 1961: Ernährungsphysiologische Untersuchungen an Scarabaeidenlarven (Oryctes nasicornis L., Melolontha melolontha L.). – Journal of Insect Physiology 6 (1): 62–74.
  • Rößner, E. 2012: Die Hirschkäfer und Blatthornkäfer Ostdeutschlands (Coleoptera: Scarabaeoidea). – Verein der Freunde und Förderer des Naturkundemuseums Erfurt e. V. (Hrsg.), 505 S.
  • Scherf, H. 1954: Beiträge zur Kenntnis des Cuticularpanzers der Käfer auf Grund von Untersuchungen im polarisierten Licht an Larve, Puppe und Imago von Oryctes nasicornis L. – Zeitschrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 43: 213–261.
  • Ziganshina, E. E., W. S. Mohammed, E. I. Shagimardanova, P. Y. Vankov, N. E. Gogoleva, & A. M. Ziganshin 2018: Fungal, bacterial, and archaeal diversity in the digestive tract of several beetle larvae (Coleoptera). – Hindawi, BioMed Research International. https://doi.org/10.1155/2018/6765438
Autor(-en): Ronny Gutzeit, Matthias Nuß. Letzte Änderung am 05.07.2022

Männlicher Nashornkäfer im Juni 2014 in Dresden
(© Michael Fritzsche)


Männlicher Nashornkäfer, Pretzschendorf Anfang Juli 2019
(© Angela Kühne)


Weiblicher Nashornkäfer in der Gemarkung Hohenprießnitz, Mai 2018
(© Michael Happ)


Die vollständige Metamorphose des Nashornkäfers (Reitter 1909: Taf. 76)
(© public domain)


Larve des Nashornkäfers in einem Komposthaufen in Chemnitz-Schönau
(© Ines Schürer)


Beim Umsetzen eines Komposthaufens in einem Kleingarten in Dohna/Pirna 2011 wurden 9 Larven, 5 Puppen und 6 Adulte des Nashornkäfers gefunden. Hier im Bild eine Larve.
(© Stephan Teckert)


Beim Umsetzen eines Komposthaufens in einem Kleingarten in Dohna/Pirna 2011 wurden 9 Larven, 5 Puppen und 6 Adulte des Nashornkäfers gefunden. Hier im Bild eine Puppe in Seitenansicht.
(© Stephan Teckert)


Kleinzschocher, Leipzig, 28. Mai 2011
(© Reinhard Weidlich)


Köthensdorf, Taura, Landkreis Mittelsachsen, 2. Juli 2010
(© Reinhard Weidlich)


Köthensdorf, Taura, Landkreis Mittelsachsen, 2. Juli 2010
(© Reinhard Weidlich)
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