Trauer um Edward O. Wilson

28.12.2021

E. O. Wilson wurde durch seine Forschungen zu einem weltweit herausragenden Entomologen, Evolutionsbiologen und Naturschützer. Er trug Spitznamen wie ‘Ameisenmann’ oder ‘Darwin des 21. Jahrhunderts’. 1996 zählte ihn das "Time"-Magazin zu den 25 einflussreichsten Menschen Amerikas. Am 26. Dezember starb er im Alter von 92 Jahren.

E. O. Wilson ist Autor von über 430 wissenschaftlichen Arbeiten und beschrieb 429 neue Ameisenarten sowie sieben Gattungen und eine Unterfamilie. Aber es wäre zu kurz gegriffen, seine Leistungen nach diesen Quantitäten zu bemessen.
In den 1960er Jahren entwickelte er zusammen mit dem Mathematiker und Ökologen Robert H. MacArthur die Theorie des Artengleichgewichts, die zu Wilsons und MacArthurs Buch ‘The Theory of Island Biogeography’ (‘Die Theorie der Inselbiogeographie’) führte, das heute ein Standardwerk der Ökologie ist und die Grundlage für das wissenschaftliche Prinzip der ‘halben Erde’ bildet.
Seinen ersten Pulitzer-Preis erhielt er 1978 für das Buch ‘On Human Nature’, das sich mit der Rolle der Biologie in der Evolution der menschlichen Kultur befasst. Mit diesem und seinen vorangegangenen Büchern ‘The Insect Societies’ (1971) und ‘Sociobiology: The New Synthesis’ (1975) machte er die Soziobiologie populär.
In seinem Buch ‘Biophilia’ (1984) und später zusammen mit Stephen Kellert in ‘The Biophilia Hypothesis’ (1993) formuliert er die Theorie der Biophilie aus evolutionsbiologischer Perspektive als eine angeborene Neigung des Menschen, auf das Leben und lebensnahe Prozesse zu achten. Er beschreibt unsere engen Beziehungen zur Natur, die leider viel zu oft missachtet werden und leitet aus der Affinität des Menschen zu den vielen Formen des Lebens, den Lebensräumen und Ökosystemen eine Naturschutzethik für die Bewahrung und den Schutz des Lebens und der Artenvielfalt ab.
Mit dem von ihm 1986 herausgegebenen Symposiumsbericht ‘Biodiversity’ (auf Deutsch erschienen 1992 unter dem Titel ‘Ende der biologischen Vielfalt? Der Verlust an Arten, Genen und Lebensräumen und die Chancen für eine Umkehr’) prägte er den bis heute in Wissenschaft und Politik gängigen Begriff Biodiversität.
Seinen zweiten Pulitzer-Preis erhielt E. O. Wilson 1990 gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen Bert Hölldobler für das Buch ‘The Ants’. Auf über 700 Seiten geben die Autoren u.a. einen weltweiten Überblick über die Verwandtschaftsgruppen der Ameisen, ihre Kommunikation und sozialen Beziehungen sowie über ökologische Beziehungen mit ihrer Umwelt. Beim Studium des Buches kann der Leser den wissenschaftlichen Gedankengängen der Autoren folgen und angesichts der detailreichen Beschreibung des Lebens der Ameisen erscheint es manchem, als sei das Buch aus der Perspektive der Ameisen geschrieben.
Sein Buch ‘The Creation’ (‘Die Schöpfung’) schrieb er als einen fiktiven Brief an einen baptistischen Pastor. Er prophezeit darin, dass zum Ende unseres Jahrhunderts die Hälfte aller Arten ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sein werden und dieser Biodiversitätsverlust zusammen mit der Verschmutzung der Umwelt und dem Klimawandel auch uns Menschen bedroht. Wilson konzentriert sich deshalb nicht auf die Unterschiede von Religion und Wissenschaft, sondern auf die Gemeinsamkeiten und ruft alle Menschen dazu auf, sich gleichermaßen für den Erhalt der Artenvielfalt auf unserem Planeten einzusetzen.

1996 trat E. O. Wilson offiziell in den Ruhestand. Er war Ehrenkurator für Entomologie und emeritierter Forschungsprofessor an der Harvard University. Nachdem er die Society of Conservation Biology mitbegründet hatte und in den Vorständen von The Nature Conservancy, Conservation International und dem American Museum of Natural History saß, gründete Wilson 2005 die E. O. Wilson Biodiversity Foundation mit. Im Jahr 2016 veröffentlichte Wilson das Buch ‘Half-Earth, Our Planet's Fight for Life’ (auf Deutsch erschienen unter dem Titel ‘Die Hälfte der Erde – Ein Planet kämpft um sein Leben’) und gründete zusammen mit Paula J. Ehrlich das Half-Earth Project. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die nächsten Generationen über die biologische Vielfalt aufzuklären sowie die Erhaltung der Hälfte des Landes und der Meere für die Artenvielfalt in die Praxis umzusetzen.

E. O. Wilson erhielt über einhundert Auszeichnungen, darunter die U.S. National Medal of Science und den Crafoord-Preis, der von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften für die Ehrung und Förderung von Grundlagenforschung in Disziplinen vergeben wird, die der Nobelpreis nicht abdeckt.

"E. O. Wilsons heiliger Gral war die schiere Freude am Streben nach Wissen. Als unermüdlicher Ideensammler veränderte er mit seinem mutigen wissenschaftlichen Fokus und seiner poetischen Stimme unser Verständnis von uns selbst und unserem Planeten. Seine größte Hoffnung war, dass Studenten auf der ganzen Welt seine Leidenschaft für Entdeckungen als ultimative wissenschaftliche Grundlage des künftigen Umgangs mit unserem Planeten teilen. Sein Geschenk war der tiefe Glaube an die Menschen und an unsere gemeinsame menschliche Entschlossenheit, die natürliche Welt zu retten", sagte Paula J. Ehrlich, CEO und Präsidentin der E. O. Wilson Biodiversity Foundation und Mitbegründerin des Half-Earth Project.                                                                                                                                      (mn


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