Extensive Beweidung als Gegenmaßnahme zum Insektensterben gefordert

01.07.2019

Ein Bündnis deutscher Naturschutzakteure macht darauf aufmerksam, dass ein entscheidender Faktor für das Insektensterben das Verschwinden von Weidetieren in naturverträglicher Haltung aus der freien Landschaft ist. Dabei kommen dem Rind und dem Pferd eine besonders große ökologische Bedeutung zu. Der durch extensive Beweidung geschaffene Strukturreichtum der einstigen Huteweiden mit ihren Geilstellen, Trampelpfaden, Suhlen, Dornensträuchern, Hutebäumen u.v.m. und der Wechsel zwischen offenen und mit Gehölzen bestandenen Bereichen bot fast allen unseren Offenlandarten Lebensraum. Dazu gehören neben vielen Insektenarten auch Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere. Zugleich waren die Tiere Medium für den Transport unzähliger Samen von Pflanzenarten und sogar wirbelloser Tiere, die heute in der Landschaft an isolierten Standorten genetisch degenerieren oder schon verschwunden sind.

In der Resolution wird die Rückkehr der großen Weidetiere in die Landschaft gefordert: in geringer Besatzdichte, mit möglichst robusten Rassen, ohne prophylaktische Medikamentierung (nur bei Bedarf), möglichst ganzjährig und auf mindestens 5% der land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche.

Initiator der Resolution ist Dr. Herbert Nickel. Er ist Spezialist für Zikaden und Autor zahlreicher Publikationen über diese Insekten, u.a. einer umfangreicher Monographie der Zikaden Deutschlands (Nickel 2003) und der aktuellen Roten Liste der Zikaden Deutschlands (Nickel et al. 2016). Herbert Nickel setzt sich dafür ein, dass wir mit einem systemischen Ansatz das Gros der Artenvielfalt fördern und wegkommen vom „Einartenschutz“. Nachweislich sind 13% der 624 einheimischen Zikadenarten Deutschlands durch falsches Naturschutzmanagement, insbesondere eine allein an Orchideen oder Wiesenbrüter orientierte Mahd, gefährdet. Aus mehreren Untersuchungen ist bekannt, dass die Artenzahl der Zikaden mit abnehmender Schnitthäufigkeit und Besatzdichte der Weidetiere zunimmt: Zweischürige Glatthaferwiesen weisen 10 bis 20 Arten auf, hochwertige Streuwiesen 25 bis 40, extensive Rinderweiden 30 bis 50. Auf historisch alten Standorten hingegen mit kleinräumiger Strukturierung werden Zahlen von über 200 Zikadenarten erreicht (Nickel 2019). (mn)


Literatur
  • Nickel, H. 2019: Fallbeispiel: Rückgang und Gefährdungsursachen von Zikaden. – Natur und Landschaft 94 (6/7): 242.
  • Nickel, H. 2003: The Leafhoppers and Planthoppers of Germany (Hemiptera, Auchenorrhyncha): Patterns and strategies in a highly diverse group of pyhtophagous insects. – Pensoft, Sofia-Moskau und Goecke & Evers, Keltern. X + 460 S.
  • Nickel, H., R. Achtziger, R. Biedermann, C. Bückle, U. Deutschmann, R. Niedringhaus, R. Remane, S. Walter & W. Witsack 2016: Rote Liste und Gesamtartenliste der Zikaden (Hemiptera: Auchenorrhyncha) Deutschlands. S. 249–298. – In: H. Gruttke, S. Balzer, M. Binot-Haffke, H. Haupt, N. Hofbauer, G. Ludwig, G. Matzke-Hajek & M. Reis, Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 4: Wirbellose Tiere (Teil 2). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (4). Bonn - Bad Godesberg.

Links
Vorträge von Dr. Herbert Nickel:
Evolution im Naturschutz: Von der Weide zur Wiese und zurück PDF 
Das Insekten- und Vogelsterben vor dem Hintergrund der Natur- und Kulturlandschaftsgeschichte und wie wir es überwinden können Video

Verein zur Förderung naturnaher Weidelandschaften Süddeutschlands e.V.

Redaktionelle Ergänzung: Die Resolution wurde bereits am 25. April 2019 an Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, gesandt. (12.07.2019, mn)
 
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