Widerstandsfähigkeit des Lebens gegenüber astrophysikalischen Ereignissen

24.03.2018

Es mag nicht jedem behagen, sich mit der Möglichkeit eines astrophysikalischen Ereignisses zu beschäftigen, welches das Potenzial hat, alles Leben auf der Erde auszulöschen. Eine solche Betrachtung kann aber hilfreich sein, mögliche Voraussetzungen für die Existenz von exoplanetarem Leben einzugrenzen und die Suche danach zu optimieren.
Dazu gilt es zunächst, Arten ausfindig zu machen, die dafür bekannt sind, extreme Bedingungen zu überstehen. Im Tierreich sind dies die Bärtierchen, die einige Minuten bei -272°C oder +150°C sowie -20°C über Jahrzehnte überdauern können. Darüber hinaus überstehen sie Drücke von 0 atm im Weltraum genauso wie 1200 atm am Grund des Marianengrabens sowie Strahlungen von ∼5000–6200 Gy.

Bärtierchen (Tardigrada) gehören mit den Stummelfüßern (Onychophora) und Gliederfüßern (Arthropoda; einschließlich der Insekten) zu den Panarthropoda. Die verschiedenen Arten leben im Meer- oder Süßwasser oder an Land, dort u.a. in Moosen oder in der Laubstreu. Sie ernähren sich von Algen, abgestorbener organischer Substanz, Pilzen, Rädertierchen u.a.m. Ihre Körpergröße reicht von 50 µm bis maximal 1,5 mm.

Nachdem diese extrem widerstandsfähigen Tiere ausgemacht sind, gilt es, astrophysikalische Ereignisse ausfindig zu machen, die diesen Tieren den Garaus machen könnten. Dafür analysierten die Wissenschaftler David Sloan, Rafael Alves Batista und Abraham Loeb (2017) die Wirkungen von Ereignissen wie Supernovae, Gammablitzen, Einschlägen von Himmelskörpern (Impakt) sowie vorbeiziehenden Sternen.
Aber nicht allein die Art des Ereignisses, sondern auch dessen Ausmaß muss untersucht werden. Das wahrscheinlichste Szenario wäre der Einschlag eines Asteroids. Der Asteroid, der vor 65 Millionen Jahren auf der Erde einschlug und den Chicxulub-Krater schuf, löschte 75% der damals existierenden Arten aus. Nur wenige exotherme Tierarten mit einem Körpergewicht von mehr als 25 kg überlebten diese Katastrophe, aber 90% der Knochenfische überlebten und auf die Arten der Tiefsee hatte dieses Ereignis so gut wie keinen Einfluss. Hier wird deutlich, dass das menschliche Leben etwas fragil ist, wie die Autoren es formulieren.
Einen sterilisierenden Effekt auf alles Leben unseres Planeten sehen die Autoren am ehesten in Ereignissen, welche die Ozeane zum Kochen bringen, die Atmosphäre zerstören sowie weiterer Hitze- und Strahlungseinwirkungen. Die beruhigende Nachricht für Bärtierchen ist, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses auf der Erde und Exoplaneten geringer als 10-7 pro Milliarden Jahre ist.
Organismen mit ähnlichen Strahlen- und Temperaturtoleranzen wie Bärtierchen wären die einzige Art von Leben, die unter Bedingungen, wie sie beispielsweise auf dem Mars herrschen, langfristig überleben könnten, und selbst dann müssten sie sich deutlich unter der Oberfläche befinden. Die unterirdischen Ozeane, die auf Europa und Enceladus existieren sollen, hätten ähnliche Bedingungen wie die tiefen Ozeane der Erde. Die Suche nach Extremophilen an diesen Orten wäre ein bedeutender Schritt, um die Suche nach dem Leben auf Exoplaneten einzuengen.
Derweil hat die Artenvielfalt auf unserem Planeten ganz andere Probleme. Das Ausmaß der menschengemachten Produktion von Treibhausgasen, die landschaftlichen Veränderungen, welche in ihrem Umfang die natürliche jährliche Sedimentproduktion erheblich übertreffen, die Übersäuerung der Ozeane und die fortdauernde Vernichtung von Lebewesen finden in den letzten Millionen Jahren keine Entsprechung, so dass man von einem neuen Erdzeitalter, dem Anthropozän, spricht (Crutzen 2002). Das durch den Menschen verursachte Artensterben hat bereits ein Ausmaß erreicht, dass es als sechstes Massenaussterben in der Geschichte unseres Planten bezeichnet wird (Ceballos et al. 2017). Auch hier scheinen sich die Bärtierchen wacker zu halten. In toxikologischen Untersuchungen aquatischer Systeme reagierten verschiedene Organismengruppen negativ auf Ivermectin, ein Arzneimittel in der Veterinärmedizin, sowie Endosulfan, ein neurotoxisches Insektizid. Die Bärtierchen hingegen profitierten von der Präsenz dieser Stoffe und waren anschließend häufiger als zuvor (Barry & Logan 1998; Brinke et al. 2010). Was sie jedoch nicht zu mögen scheinen, ist die Belastung der Umwelt mit Schwermetallen. Diese reduzieren sowohl die Anzahl der Arten als auch die Anzahl der Individuen von Bärtierchen in Moospolstern (Vargha et al. 2002). So müssen wir nicht so sehr astrophysikalische Ereignisse fürchten, die katastrophale Auswirkungen auf das Leben auf der Erde haben könnten, als vielmehr die Auswirkungen unseres eigenen Handelns. (mn)

Literatur
Barry, M. J. & D. C. Logan 1998: The use of temporary pond microcosms for aquatic toxicity testing: direct and indirect effects of endosulfan on community structure. – Aquatic Toxicology 41 (2): 101–124.
Brinke, M., S. Hoess, G. Fink, T. A.Ternes, P. Heininger & W. Traunspurger 2010: Assessing effects of the pharmaceutical ivermectin on meiobenthic communities using freshwater microcosms. – Aquatic Toxicology 99 (2): 126–137.
Ceballos, G., P. R. Ehrlich & R. Dirzo 2017: Biological annihilation via the ongoing sixth mass extinction signaled by vertebrate population losses and declines. – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 114 (30): E6089–E6096.
Crutzen 2002: Geology of mankind. – Nature 415: 23.
Sloan, D., R. A. Batista & A. Loeb 2017: The Resilience of Life to Astrophysical Events. – Nature Scientific Reports 7: 5419.
Vargha, B., E. Otvos & Z. Tuba 2002: Investigations on ecological effects of heavy metal pollution in Hungary by moss-dwelling water bears (Tardigrada), as bioindicators. – Annals of Agricultural and Environmental Medicine 9 (2): 141–146. 

Siehe auch:
Das Leben auf der Erde ist kein Einzelfall. Welt, 25.04.2007
Leben auf dem Mars - Wikipedia
 
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